Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Liberalere Wendung. Reform des Wahlgesetzes. 719 
gesetzgebung fuͤr die Unterscheidung des ritterschaftlichen von dem 
nicht ritterschaftlichen Grundbesitze alle inneren Merkmale fehlten, 
sich überlebt habe, war einleuchtend genug. Trotzdem bewegte sich 
der vom Abgeordneten Ohmigen eingebrachte Antrag auf Reform 
des Wahlgesetzes in so überaus bescheidenen Grenzen, daß der Ab- 
geordnete Jungnickel sich dadurch veranlaßt sah, einen schon 
beim vorigen Landtage von ihm gestellten, damals aber nicht 
zur Berathung gelangten Antrag auf Wiederaufnahme des 1850 
unerledigt gebliebenen Wahlgesetzes von neuem einzubringen. 
Hierdurch wurden jedoch auf Seiten der Regierung wie in der 
Kammer selbst sehr unliebsame Erinnerungen geweckt. „Richtig 
sei es allerdings“, erklärte Minister v. Friesen, „daß dieses 
Wahlgesetz seinerzeit von dem gegenwärtigen Ministerium selbst 
vorgelegt worden sei; aber wenn in dieser Beziehung etwas 
der Rechtfertigung bedürfe, so sei es gewiß nicht dies, daß die 
Regierung nicht mehr auf dem Standpunkt von 1849 stehe 
und daher jenen Entwurf jetzt verwerfe, sondern das, daß es 
jemals eine Zeit gegeben habe, wo sie einen solchen Entwurf 
vorgelegt habe“, und nicht ohne Ironie verwahrte sich Beust 
gegen den Vorwurf, als habe die Regierung ein gegebenes 
Versprechen uneingelöst gelassen, da dies ja durch die Vorlage 
von 1850 vollständig geschehen sei und die Stände seitdem trotz 
mehrmals naheliegendem Anlaß nicht auf das Verlangen einer 
Anderung zurückgekommen seien, worauf die Kammer die Er- 
laubniß zur Wiedereinbringung des Wahlgesetzes von 1849 
gegen 12 Stimmen verweigerte, ein Beschluß, auf den die 
kundgegebene Absicht der Regierung, chrerseits ein abgeändertes 
Wahlgesetz vorzulegen, nicht ohne Einfluß geblieben war. 
Nach dem Entwurfe, mit dem sie bald darauf hervortrat, 
sollte die erste Kammer durch drei lebenslängliche, vom Könige 
nach freier Wahl ernannte Mitglieder verstärkt werden, die 
zweite statt der bisherigen fünf Vertreter des Handels= und 
Fabrikstandes deren zehn erhalten, das Stimmrecht auch den 
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Gesellen und Dientleute 26000 Steuerpflichtige, von denen nur 2183 die 
active und 1168 die passive Wählbarkeit hatten.
	        
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