720 Sachsen unter König Johann. Inneres.
Unangesessenen gewährt, der Census herabgesetzt, das Wahlrer-
fahren vereinfacht und das Verbot der Wahlversammlungen
aufgehoben werden, eine principlose Verquickung des ständischen
Wesens mit einer kleinen Dosis Volksvertretung, die dem
Grunvbesitz unter 116 Vertretern immer noch 74, der Ritter-
schaft 49 beließ, während Dresden und Leipzig, die allein mehr
Einheiten zählten als diese, je zwei behielten. Dennoch nahmen
die Kammern das Dargebotene an, lehnten nur die Verstär-
kung der ersten Kammer ab, nahmen aber selbst dem kümmer-
lichen Zugeständnisse in der Ausführung noch einen Theil seiner
Wirksamkeit durch den Beschluß, daß keine vollständige Er-
neuerung der zweiten Kammer stattfinden sondern das neue
Wahlgesetz nur bei den Ergänzungswahlen Platz greifen sollte ).
Außerdem übten sie einen „Act freier Versöhmmg“, indem sie
die Wiederverleihung der Wählbarkeit an die elf Renitenten
von 1850 beantragten. Der Abgeordnete Heyner von Leipzig
aber verstieg sich bei der Budgetberathung zu einem fulminanten
Angriffe gegen das durch Beust repräsentierte System, wie
Ahnliches seit 1850 nicht erhört worden war, warf ihm die
Bevormundungssucht, die strenge Abhängigkeit, in der die Beamten
gehalten würden, die Nichtbestätigung städtischer Wahlen, die
bis in das kleinste Landstädtchen hinab von den Magistraten
alle regierungsfeindlichen Elemente fern halten sollte, die an-
stößige Zwitterstellung der Leipziger Zeitung als Regierungs-
entreprise und doch nicht officielles Blatt u. a. m. vor, und
wenn auch Beust diesen Ausfall mit überlegener Gewandtheit
zu parieren verstand, so reihten sich doch daran auch von an-
1) Die Abschiedsrede beim Schluß des Landtags, welche diesmal in
Abwesenheit des Königs der Kronprinz (7. Augußt) hielt, sagte darüber:
„„Als eines der schönsten Ergebnisse Ihrer Berathungen betrachte ich die
Verabschiedung des neuen Wahlgesetzes und des Gesetzes, einige Abände-
rungen der Verfassungsurkunde betreffend, bei welchen, ohne den bewährten
Grundlagen unserer Verfassung zu nahe zu treten, dem wahrhaft prak-
tischen Bedürfnisse Rechnung getragen worden ist. Sie ist ein Zengniß
der Reise und Besonnenheit, mit welcher auch schwierige und politische
Fragen von der sichsischen Ständeversammlung behandelt werden.“