72 Sachsen unter König Johann. Inneres.
der Geistlichen, welche seit 1858 unter Leitung des Professor
Brückner jährlich zweimalige Conferenzen zu Meißen zu gegen-
seitigem Meinungsaustausche zu veranstalten pflegte, anschloß.
Die orthodoxe Partei hielt sich seitdem mehr zurück. Im Vollke
hatte die officielle Orthodoxie niemals Wurzel zu schlagen ver-
mocht und wie fügsam auch die zweite Kammer sich in allen
übrigen Stücken erwies, in kirchlichen Fragen war sie, die
conservative Seite so gut wie die liberale, von einer mitunter
übertriebenen Empfinblichkeit. Daß sie 1858 das Postulat für
die Restauration der meißner Albrechtsburg nur unter der Be-
dingung bewilligte, daß im Dom kein katholischer Gottesdienst
eingerichtet werden dürfe, erinnerte selbst an das confessionelle
Mißtrauen früherer Zeiten. Das seit so langer Zeit schon laut
gewordene Verlangen nach einer Kirchenverfassung näherte sich
auf dem Landtage von 1861 wenigstens insoweit seiner Er-
füllung, als der Entwurf der von Dr. Hübel ausgearbeiteten
Kirchenordnung zur Vorlage gelangte, der „ohne eine funda-
mentale Anderung zu bezwecken“ nur auf Beseitigung der vor-
handenen Mängel ausgieng und darum auch, das Verlangen
nach Trennung der Kirche vom Staate unerfüllt lassend, nur
die Consistorial- mit der Synodalverfassung zu verbinden suchte.
Allein bei den 22 Sitzungen füllenden Berathungen der ersten
Kammer über diesen Entwurf giengen die Ansichten über Maß
und Form der der Kirche zu gebenden Selbständigkeit so weit
auseinander, daß sich die Regierung bewogen fand ihn zurück-
zuziehen und im November 1865 den Kammern einen neuen
vorzulegen, der, abweichend von jenem, „nur eine Vorarbeit
sein sollte, dazu angethan eine Basis festzustellen und den so
geschaffenen Organen der Kirche die weitere Ausbildung der
Kirchenverfassung anheimzugeben“ und die consistoriale Ord-
nung vor der Hand ganz unberücksichtigt ließ. Der Kirchen-
vorstand sollte nach diesem aus dem Pfarrer, dem Patron und
einer Anzahl weltlicher Mitglieder bestehen, stimmberechtigt sollten
sein alle 25 Jahr alte Hauspväter, alljährlich Diöcesanversamm-
lungen, mindestens aller fünf Jahre eine Synode, bestehend
aus 28 Geistlichen und 28 Laien, 1 Professor der Theologie