740 Sachsen unter König Johann. Deutsche Verhältnisse.
wieder auf die Tagesordnung. Auch die sächsischen Stände er-
innerten sich wieder der allgemeinen deutschen Verhältnisse, deren
sie seit 1850 kaum mehr Erwähnung gethan hatten; in der
zweiten Kammer erklang wieder der Ruf nach einer deutschen
Volksvertretung. Indes so wenig es in Beusts glatter Art
lag den Ständen mit directem Widerspruch zu begegnen, so
schroff wies er diese Mahnung zurück. „Der Gedanke einer
Mitwirkung der deutschen Ständekammern bei der internatio-
nalen Gesetzgebung des Bundes“, erklärte er, „sei noch immer
von der Regierung nicht aufgegeben, eine förmliche Volksver-
tretung beim Bunde aber sei, wie die Erfahrung lehre, eine
Unmöglichkeit; Einheit sei entweder ein unklarer Begriff oder,
wenn er klar werde, führe er auf ein Gebiet, auf das ein ge-
wissenhafter, seines Schwures eingedenker Minister nicht
folgen könne.“
Nicht lange, so belebte die Bedrohung Österreichs durch
Frankreich im Jahr 1859 den Drang nach einer nationalen
Einigung, welche Deutschlands Kriegsmacht und auswärtige
Politik ein= für allemal in eine Hand lege, von neuem mit
unwiderstehlicher Kraft. Noch unter dem unbehaglichen Ein-
drucke des in Berlin, November 1858, eingetretenen System-
wechsels, der zuerst die nationalen Hoffnungen wieder aufathmen
ließ, setzte Beust sofort alles daran, damit der Bund mit ganzer
Macht für den bedrohten Kaiserstaat eintrete. Persönlich ver-
gewisserte er sich, 9. April, in Berlin über die Gesinnung des
Prinzregenten, dann, nach kurzer Besprechung mit v. d. Pfordten
in München, benutzte er die Begleitung des auf der Braut-
fahrt nach Lissabon begriffenen Prinzen Georg 1) um sich nach
Paris zu begeben; schon hoffte er hier mit seinen Vorstellungen
Eindruck auf den Kaiser gemacht zu haben, als Osterreichs
thörichtes Ultimatum alle seine Bemühungen durchkreuzte. Auf
die Weiterreise nach Lissabon verzichtend eilte er nach Frank-
furt, Brüssel und London um überall seine diplomatischen Hebel
1) Derselbe vermählte sich 11. Mai 1859 mit Maria Anua, der
Tochter des Königs Ferdinand von Portugal.