Herzogthum Warschau. 69
gab Stoff zum Denken, denn daß der Kaiser dies nicht zu
Gunsten eines Verbündeten, sondern nur seiner selbst thun
werde, leuchtete ein. Merkwürdigerweise aber litten der Eifer
und das Interesse der sächsischen Regierung für Polen unter
diesen Betrachtungen nicht im geringsten. Der König fühlte
sich durch seine Pflicht gedrungen, seinen neuen Unterthanen
keine geringere Sorgfalt zu widmen, als den alten; Senfft
aber, der einzige Minister, den der König für die polnischen
Sachen brauchte, berechnete sehr fein, daß, je größeren Werth
man auf den Besitz des Herzogthums lege, oder zu legen sich
den Anschein gebe, eine desto reichlichere Entschädigung, wenn
es einmal zur Abtretung komme, sich dafür werde herausschlagen
lassen. Woher dann diese Entschädigung zu nehmen sei, war
ihm nicht zweifelhaft. Nicht ohne Befriedigung hatte er im
Herbst 1810 aus Paris die geheime Kunde vernommen, daß
dort die Absicht bestehe, Preußen zu Gunsten von Frankreichs
Verbündeten gänzlich zu zertrümmern 1). Allerdings gab es
in Sachsen außer dem Könige kaum jemanden, der nicht
Senfft seine Vorliebe für Polen verdacht hätte, von der
Königin und der Prinzessin Auguste an bis herab zum großen
Publikum, welches von der napoleonischen Schöpfung an der
Weichsel nichts wissen wollte und den Minister in dem, freilich
ungegründeten Verdacht hatte, als ob er die polnischen Finanzen
mit sächsischem Gelde unterstütze.
Im 2Dpril 1810 unternahm der König eine neue Reise in
das Herzogthum, um sich den neu erworbenen Provinzen zu
zeigen und ihre Verhältnisse, u. a. auch die Geltung des dort
cursierenden Papiergelds zu ordnen. Der Zustand des Landes
war noch immer sehr untröstlich und lehrte zur Genüge, daß
eine Nation, der die Anarchie so sehr im Blute lag, weniger
als jede andere aus der Ferne regiert werden könne, sondern
den Träger der höchsten Auctorität in ihrer Mitte und unab-
lässig vor Augen haben müsse. Senfft schlug daher dem Könige
vor, seinen Bruder Anton als Vicekönig nach Warschau zu
1) Senftt, Mémoires, p. 41. 77. 87. 96. 110. 132.