Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

Herzogthum Warschau. 69 
gab Stoff zum Denken, denn daß der Kaiser dies nicht zu 
Gunsten eines Verbündeten, sondern nur seiner selbst thun 
werde, leuchtete ein. Merkwürdigerweise aber litten der Eifer 
und das Interesse der sächsischen Regierung für Polen unter 
diesen Betrachtungen nicht im geringsten. Der König fühlte 
sich durch seine Pflicht gedrungen, seinen neuen Unterthanen 
keine geringere Sorgfalt zu widmen, als den alten; Senfft 
aber, der einzige Minister, den der König für die polnischen 
Sachen brauchte, berechnete sehr fein, daß, je größeren Werth 
man auf den Besitz des Herzogthums lege, oder zu legen sich 
den Anschein gebe, eine desto reichlichere Entschädigung, wenn 
es einmal zur Abtretung komme, sich dafür werde herausschlagen 
lassen. Woher dann diese Entschädigung zu nehmen sei, war 
ihm nicht zweifelhaft. Nicht ohne Befriedigung hatte er im 
Herbst 1810 aus Paris die geheime Kunde vernommen, daß 
dort die Absicht bestehe, Preußen zu Gunsten von Frankreichs 
Verbündeten gänzlich zu zertrümmern 1). Allerdings gab es 
in Sachsen außer dem Könige kaum jemanden, der nicht 
Senfft seine Vorliebe für Polen verdacht hätte, von der 
Königin und der Prinzessin Auguste an bis herab zum großen 
Publikum, welches von der napoleonischen Schöpfung an der 
Weichsel nichts wissen wollte und den Minister in dem, freilich 
ungegründeten Verdacht hatte, als ob er die polnischen Finanzen 
mit sächsischem Gelde unterstütze. 
Im 2Dpril 1810 unternahm der König eine neue Reise in 
das Herzogthum, um sich den neu erworbenen Provinzen zu 
zeigen und ihre Verhältnisse, u. a. auch die Geltung des dort 
cursierenden Papiergelds zu ordnen. Der Zustand des Landes 
war noch immer sehr untröstlich und lehrte zur Genüge, daß 
eine Nation, der die Anarchie so sehr im Blute lag, weniger 
als jede andere aus der Ferne regiert werden könne, sondern 
den Träger der höchsten Auctorität in ihrer Mitte und unab- 
lässig vor Augen haben müsse. Senfft schlug daher dem Könige 
vor, seinen Bruder Anton als Vicekönig nach Warschau zu 
1) Senftt, Mémoires, p. 41. 77. 87. 96. 110. 132.
	        
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