Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Dritter Band: Neuere Geschichte Sachsens von 1806-1866. (3)

72 Könlg Friedrich August I. 1806 —1813. 
so fand er doch eine solche Fessel zu eng und verwarf den 
bereits von seinem Gesandten unterzeichneten Vertrag. Von 
da an bildete der Krieg gegen Rußland den Hauptfactor in 
seinen politischen Berechnungen. „Es ist meine Absicht, im 
Herzogthum Warschau immer einen großen Vorrath von 
Waffen zu haben, um nöthigenfalls die Bevölkerung damit zu 
versehen“, schrieb er am 10. Juli 1810, indem er dem 
General Clarke Befehl ertheilte, mit Vermeidung alles Auf- 
sehens Erkundigungen über den Stand der dortigen Heeres- 
rüstung einzuziehen 1), und der auf einer Spionsreise gegen 
den Schmuggel befindliche Oberstleutnant Thiard mußte in 
Dresden horchen, ob der Kaiser in jedem Falle auf die sächsische 
Armee rechnen könne. Gewaltige Waffenvorräthe wurden nach 
und nach im Herzogthum aufgehäuft, wobei, um keinen Ver- 
dacht zu erregen, der König von Sachsen seinen Namen zum 
Ankauf der Gewehre hergeben mußte, der aber in Wahrheit 
auf französische Rechnung geschah. Ueberhaupt war bei allen 
Vorbereitungen das tiefste Geheimniß zur Pflicht gemacht; 
niemand sollte ahnen, daß der Kaiser sich mit diesen Dingen 
beschäftige. Die polnischen Truppen wurden verstärkt, die 
Kürassiere in Lanciers umgewandelt, um im Fall des Kriegs 
das französische Heer von den Kosakenschwärmen zu befreien, 
die dasselbe im letzten Kriege so sehr belästigt hatten, die 
Bildung von Nationalgarden in allen Städten des Herzogthums 
anbefohlen und die Besatzung von Danzig verstärkt. An den 
Festungswerken von Sierock, Praga und Modlin wurde mit 
größtem Eifer gearbeitet; letzteres insbesondere sollte für 
Warschau werden, was Torgau für Sachsen, der Zufluchtsort 
für die Magazine, Arsenale, Depots und Cassen im Fall einer 
russischen Invasion ). Allmählich wurden auch Napoleons 
Auslassungen gegen den König von Sachsen bestimmter. „Es 
ist jetzt nicht der Augenblick, wo Ew. Majestät eine Million 
ansehen dürfen“, rief er dem armen Fürsten zu, der nicht 
1) Vgl. Anhang Nr. 7. 
22) Corresp. de Nap. XX. XII passim.
	        
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