Napoleon in Dresden 1812. 77
um dem Lärm aus dem Wege zu gehen als krank ins Bett
gelegt hatte und so die Etikettensorgen, für ihn die wichtigsten
unter allen, allein auf seinen und des kürzlich zum Grafen
erhobenen Senfft Schultern lasteten.
Erst am 26. Mai traf der König von Preußen in
Begleitung des Kronprinzen ebenfalls ein; es lag Napoleon
daran, das Schauspiel, welches er in Dresden gab, durch die
Gegenwart des Gedemüthigten zu vervollständigen. Der ihm
zur Begrüßung entgegengeschickte sächsische General v. Zeschau
hatte den mißlichen Auftrag, ihn zum freiwilligen Verzicht auf
die großen militärischen Ehren beim Empfange zu bewegen, da
diese nach Napoleons Befehl allein den Kaisern vorbehalten
bleiben sollten. Stolz lehnte der König die Zumuthung ab,
aber die Kanonensalven blieben ihm versagt, wenn ihm auch
in allem Uebrigen nach der nämlichen Etikette begegnet wurde
wie den kaiserlichen Gästen. Gebeugt und düster schritt
Friedrich Wilhelm III. vurch die strahlende Versammlung,
besonders kalt gegen den König von Sachsen, und Senfft be-
kam aus seinem Munde über Sachsens feindseliges Benehmen
gegen Preußen bittere Worte zu hören. Für die Angstlichkeit,
mit der ihn der Kreis der Fürsten mied, fand der unglückliche
König zu Napoleons großem Verdrusse Entschädigung in der
theilnehmenden Hochachtung, welche die Bevölkerung ihm, wo#
er sich zeigte, erwies, während dem franzssischen Kaiser überall
nur Neugierde oder das dumpfe Schweigen des Grolls be-
gegnete.
Unter den rauschenden Festlichkeiten des dresdner Aufent-
halts hatte die politische und militärische Thätigkeit keinen
Augenblick geruht. Sobald Narbonne aus Wilna die Gewiß-
heit des Krieges brachte, verließ Napoleon am frühen Morgen
des 29sten Dresden um sich zur großen Armee zu begeben.
Um ja nicht den Abschied von seinem erhabenen Gaste zu ver-
säumen, wagte der König Friedrich August nicht zu Bett zu
gehen und erhaschte auch glücklich noch den Augenblick, wo er
dem Abreisenden auf der Treppe Lebewohl sagen konnte 1).
1) Senfft, p. 166 sc. Thiers XIII, 5068.