Thüringen unter den Merowingern. 9
und ohne Beaufsichtigung durch ihre weit entfernten Gebieter,
ohne Theilnahme an dem gedrückten Volke, dasselbe durch Druck
und Härte um das Gefühl seiner selbst zu bringen suchten.
Auch das Christenthum wirkte noch nicht mildernd auf Sinnes-
art und Schicksal des Volkes; ganz Thüringen war während
des 6. Jahrhundert noch heidnisch, etwaige Anfänge ariani-
schen Christenthums, die durch Hermanfrieds Verbindung mit
den Ostgothen eingedrungen sein konnten, hatte der Untergang
des Königshauses und die Vertheilung des Landes zwischen
Franken und Sachsen gänzlich wieder vertilgt. Die von
ihrem Freunde Venautius Fortunatus als eifrige Christin und
wegen ihres frommen, weltentsagenden Sinnes so hochgepriesene
Radegunde, Berthars Tochter, die sich nachher von ihrem Ge-
mahl Chlotar trennte, um ihre Tage in ihrem Kloster zu
Poitiers (sie starb 587) zu beschließen, ebenso wie der fromme Abt
des Klosters Menat, Brachio, von Geburt ein Thüringer,
haben die Taufe wohl erst unter den Franken empfangen 7).
Unglücklich kimpften 553, als das Absterben der austra-
sischen Linie der Merovinger den Abfall zu rechtfertigen oder
doch zu begünstigen schien, Sachsen und Thüringer zugleich gegel
den Franken Chlotar. So noch mehrere Male. Dann führte
562 Chan Bajan seine Hunn-Avaren aus Hunnivar oder Pan-
nonien, gelockt durch die Schwäche der Thüringer, gegen die
Franken heran; im Ganzen aber ohne bleibenden Erfolg. So
auch 566, 596; die Straße war ja einmal gefunden.
Noch trauriger wurde der Thüringer Lage, als sich die
allmählich vorgedrungenen slavischen Stämme in festere politische
Massen bildeten, als ein ehemaliger fränkischer Kaufmann Samo
viele derselben unter seinem Scepter vereinigte, und Derwan,
Fürst der Serben (Sorbenwenden), man glaubt im nachherigen
Meißnischen, ein slavisches Fürstenthum gründete. Wenn auch
Franken, Sachsen, Thüringer mit vereinter Kraft oftmals
widerstanden, so sah man voch bald ein, daß hier ein näherer
Befehl als von Metz, Rheims oder Soissons aus vonnöthen
sei. Da gab Dagobert I. (622 — 638) den Anstrasiern auf
ihren Wunsch seinen 3jährigen. Sohn Siegbert zum König,
) Gregor. Tur. III, 4; V, 12 ed. Bouquet. Parin 1836. 1838.
553
566
506
622
bis
638