640
10 Thüringen unter den Merowingern.
und den Thüringern in dem Herzog Ratolf wieder einen ein-
heimischen Herrscher, der unter Siegbert die Ostgrenze schützen
solle. Aber als dieser die Slaven bernhigt, kehrte er die
Waffen gegen Siegbert selbst, verbündet mit Fara, dem
Agilolfinger und Todfeind des karolingischen Majordomenhauses.
Zwar erlag Fara, aber Ratolf, durch Bündnisse mit den
Wenden noch mächtiger, erwartete den durch den großen deut-
schen Buchenwald (Buchonia) heranrückenden König in seinem
Castell an der Unstrut (der Steinklebe bei Memleben 1)9) und
schlug dort die stürmenden Franken völlig. Man machte Frieden.
Er erkannte dem Namen nach Siegberts Oberherrlichkeit, blieb
aber, wie wenig dies auch in Grimoalds und Adelgisils Planen
liegen mochte, sogar erblicher Herzog der Thüringer, wie deren
auch Baiern und Alemannen hatten. Daß sich seine Herrschaft
auch über das Land südlich vom Thüringerwalde erstreckte,
können wir aus dem Umstande abnehmen, daß seine Nachfolger
ihre Residenz zu Würzburg anfschlugen.
Im Gerichtsbrauch, im Heerwesen, in der Landeseintheilung
finden wir Nichts, was dem Thüringer schon damals eigen-
thümlich gewesen wäre; doch glauben wir, daß Gauverfassung
und Grafenamt sich nicht so spät wie bei den Sachsen ausge-
bildet haben, da fränkischer Einfluß hier vorwalten mußte.
Ebenso wenig erfahren wir über die Existenz der Städte vor
Einführung des Christenthums, welches durch seine Bildung
christlicher Gemeinden darauf nicht wenig eingewirkt hat. Doch
war der Grund vielfach in jenen Burgen oder Castellen gelegt,
die besonders an den Grenzen vom Bedürfnisse geschaffen wurden.
Die oppida und castelln waren älter als dic civitates und
urbes, denn römische municipia hatten nur die Rhein= und
Donau-Länder. Nur Erfurt und Merseburg werden als sehr
alte Städte aufgeführt; Arnstadt kommt schon 704 urkundlich
als locus, 726 als villa vor, und nächstdem ist Magdeburg
wenigstens als vorkarolingischer Ort anzunehmen?).
1) Fredegar c. 87; ebendas. Wilhelm in den Mittheilungen aus
dem Gebiete histor.-antiquar. Forschungen d. thür.-sächs. Vereins für Er-
forschung d. vaterl. Alterth., Heft III., S. 66—88.
2) Für das, was noch später über die Eutstehung der Städte in unseren