218 Deutschland seit dem Interregnum.
Recht das Recht der Stärke wurde, mußte Eines den Fürsten
der einzelnen deutschen Staaten allmählich deutlich werden, daß
alle Rettung nicht vom Reiche, welches danieder lag, sondern
aus dem Innern der einzelnen Staaten herauskommen, daß
jeder Deutschland in seinem eigenen Staate retten müsse. Um-
sonst würden sich indeß manche Fürsten bei den immer lockerer
werdenden Vasallenbanden nach einem festen Kerne in ihrem
Bereiche umgesehen haben, würden zum Theil bei der Zer-
splitterung ihres Hausgutes und den steigenden Bedürfnissen
(bei und nach den Kreuzzügen), von Nothbede zu Nothbede und
zu Veräußerungen und Verwilligungen haben greifen und dabei
sich Demüthigungen gefallen lassen müssen, wenn nicht ein Gegen-
gewicht gegen den Adel in den deutschen Städten und ihrem
vom Adel und Ritterthum weg dem Fürsten sich mehr zu-
neigenden Interesse sich gebildet hätte. In diese Städte flüchtete
sich die bürgerliche Freiheit, das Gesetz, der Handel und Ver-
kehr, der auf das Nüitzliche gerichtete Sinn. Dagegen lebte die
höhere Kunst und das Wissen in den Klöstern und Stiftern
und beider Schulen fort; aber auch die Zeit war da, wo man
auf noch höheren Anstalten des Anslandes größere als die ge-
wöhnliche Wißbegier nach Trivium und Quadrivium zu be-
friedigen begann, und endlich neben dex geistlichen noch eine
besondere Gelehrsamkeit für Recht und Gesundheit entstehen
sah. Als Alles, Adel und Zunft und Geistlichkeit, eine ge-
schlossenere Form. annahm, schloß sich auch das Wissen zur
Wissenschaft, die Summe zu behandelnder rechtlicher Verhält-
nisse und heilkundiger Erfahrungen, bisher nur Aggregat, zum
System. Am spätesten ließen sich die Mönche und Juden die
Heilpraxis entreißen; weit eher wurde die Rechtskunde zum ge-
lehrten Wissen, weil Kirche und Fürst geflissentlich zwei fremde
ihnen günstigere Rechte aus Italien einheimisch zu machen suchten.
Ein Staats= und Fürsten-Recht entwickelte sich praktisch, eigent-
lich mehr aus der Negative, aus der Collision, als aus posi-
tiven Sätzen. Den Staat als erbliche Besitzung zu vergrößern,
war jetzt Familieninteresse; die Sorge, ihn nicht ans Reich zu-
rückfallen zu lassen, erzeugte staatsrechtliche Verträge aller Art,
deren Gewähr das Reichsoberhaupt zu übernehmen pflegte,