Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Die Reformation. 439 
mit der von ihm ausgegangenen Kirchenverbesserung einen 
der wichtigsten Beiträge geliefert. 
Wenn eine Recvolution ausbricht, ist sie bereits in den 
Seelen der Menschen fertig, gereift, ja durchgekämpft worden. 
Was in der sogenannten Kirchenverbesserung vorgeht und be- 
zweckt wird, tritt nicht neu und unerhört in das Leben herein, 
sondern es ist nur das reifere Wiederkehren von Gedanken und 
Idcen, die, an sich ewig und wahr, nur ihre Zeit haben mußten, 
sich festzusetzen in den Köpfen und Herzen, und die im 16. Jahr- 
hundert nicht mehr abweisbar waren wie in früheren. Was 
die Arnold von Brescia, die Waldus, die Wiklisfe, Peter von 
Dresden, Huß und Hieronymus und Savonarola, was die 
Besten und Hellsten ihrer Zeit gesprochen und gethan, es war 
unverloren gewesen im Strome der Zeit. Noch einmal, gegen 
die Mitte des 15. Jahrhunderts, war die römische Hierarchie 
aus dem langen und schweren Kampfe gegen das baseler Concil 
als Siegerin hervorgegangen, noch einmal durfte das Papst- 
thum mit der ganzen stolzen Selbstzuversicht früherer Zeiten in 
dem Genusse seines Sieges schwelgen, sah es doch noch einmal 
eine Welt vor sich, die sich geduldig den Fuß auf den Nacken 
setzen ließ, strömten doch die Schaaren der Gläubigen wiederum, 
wie vormals, gehorsam nach Nom, des goldenen Jahres zu ge- 
nießen und den päpstlichen Seckel zu füllen, schien doch selbst in 
Capistraun endlich ein Mittel gefunden, die Reste des utraquisti- 
schen Fanatismus durch eine andere Erregung der Massen, für 
Buße und Türkenkrieg, zu paralhsiren. Und doch war es ein 
Triumph, den es mit dem letzten Uberrest seiner Lebenskraft 
bezahlte; unsichtbar aber unaufhaltsam wich der Boden, auf 
dem der ganze stolze Bau ruhete. Es war nicht mehr jene 
Kirche der früheren Jahrhunderte, die es verstand, ihrer Zeit 
die Losung zu geben, die Gemüther mit großen Aufgaben zu 
erfüllen und ihnen die Nichtung auf erhabene Ziele anzuweisen; 
nicht mehr die Kirche, vor deren geheimnißvollem Zauber jeder 
Zweifel in Demuth verstummte. Seitdem sie durch ärgerlichen 
Zwiespalt die Hoheit, die eben in ihrer Einheit lag, zerstört, 
auf den Koncilien ihr innerstes Heiligthum profaner Erörterung 
preisgegeben, die Schäden und Mängel ihres Leibes als die-
	        
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