Reform des Kirchenwesens in Wittenberg. 465
die Kühnheit, mit welcher jetzt die Universität Wittenberg auch
ohne Luther dieselbe zu vertreten und nun auch durch Änderung
an den Außemverken des Kirchenthums, an den gottesdienst-
lichen Gebräuchen praktisch weiterzuführen unternahm. Als
die pariser Universität, neben Erfurt zur Schiedsrichterin über
die leipziger Disputation aufgerufen, sich gegen Luther erklärte,
antwortete Melanuchthon mit einer entschiedenen Verwerfung
des ganzen scholastischen Lehrgebäudes. Schon sagten sich einzelne
Geistliche, wie der Propst zu Kemberg, vom Cölibat los, und
als der Erzbischof von Magdeburg des letzteren Auslieferung
forderte, verweigerte sie der Kurfürst, den seine Theologen
von der Rechtmäßigkeit der Priesterehe überzeugt hatten: „er
wolle sich nicht zum Schergen brauchen lassen““. Wie die innere
Reformation von den Augustinern ausgegangen war, so begann
von ihnen zu Wittenberg auch die äußere. Viele derselben
verließen ihr Kloster; andere drangen auf Abschaffung der
Privat= und Seelen-Messen und auf Reichung des Abendmahls
in beiderlei Gestalt. Priester, die noch die Messe lasen, wurden
schon von der Menge bedroht. Auf einem durch Stanpitz
veranlaßten Convente der 40 Augustinerklöster Meißens und
Thüringens wurden auch die Klostergelübde und die Ordens-
regeln, die gegen das Evangelium wären, das Terminiren oder
Almosencinsammeln abgeschafft (December 1521). Eine auf
des Kurfürsten Veranlassung niedergesetzte Commission von
sieben Theologen, unter ihnen Melanchthon, erklärte ihre Zu-
stimmung zu diesen Beschlüssen; da aber doch auch Widerspruch
nicht ausblieb, so befahl der Kurfürst Mäßigung und Schonung;
das Volk solle durch Predigten, die Gelehrten durch Schriften
und Disputationen auf solche Veränderungen erst vorbereitet
werden. In Erfurt, wo sich der evangelische Eifer der Stu-
dentenschaft, nicht ohne geheime Begünstigung durch den Rath
selbst, gewaltthätig in dem „Pfaffensturm“ entlud, in Folge
dessen die Stifter auf ihre Privilegien verzichten mußten,
leerten sich die Klöster in tumultuarischer Weise, zerstörte aber
auch zugleich der Fauatismus der Prädikanten den Eifer für
die humanistischen Studien und damit die Blüthe der Universität.
Auch in Wittenberg nahmen manche Neuerungen einen be-
Böttiger, Geschichte Sachsens, 2. Ausl. 1. 30