Fortgang der Resormation. 469
Die kleine Universität war in Wahrheit der Brennpunkt für
das gesammte geistige Leben der Nation.
Indeß schien unn auch Luther die Zeit gekommen zu sein,
wo man die Reform der kirchlichen Gebräuche und der Litur-
gie beginnen könne. Daß es nicht vom Kurfürsten ausgehen
können und werde, sah er wohl. Friedrich mochte lieber Ge-
schehenes gut heißen als selbst anordnen. Dabei ging Luther
noch immer, der Schwachen wegen, schonend genug zu Werke,
behielt alte Gebete und Gesänge, mitunter die lateinische
Sprache, selbst die Elevation des Brodes und Kelches noch
bei, aber der eigentliche Meßkanon wurde abgeschafft. Er selbst
legte die Mönchskutte ab und übergab sein leeres Kloster seinem
Landesherrn. Der schwarze Priesterrock wurde fortan seine
Amtstracht und dadurch allmählich Kleidung aller Geistlichen
seines Bekenntnisses. Ja selbst weit über des Landes Grenzen
reichte sein Einfluß, denn auf seinen Rath soll der Meister
des deutschen Ordens in Preußen, der Brandenburger Albrecht,
sein Ordensland zu einem weltlichen Herzogthume säcularisirt
und die Reformation eingeführt haben. Das habe er selbst
in Wittenberg mit Luther verabredet. Auch das kam der
deformation zu Statten, daß, als Leo X. 1. December 1521
verstorben war, in Adrian VI. (von Utrecht) ein wohlmeinender
Mann den päpstlichen Stuhl bestieg, der, wie entschieden er sich
auch gegen die lutherische Ketzerei aussprach, doch die Noth-
wendigkeit einer gründlichen Reform anerkannte. Er war das
Echo Karls V., und dieser damals wegen seines Krieges außer
Stand direkt gegen die Reformation einzuschreiten, und den
Erzherzog Ferdinand, des Kaisers Bruder, der gern die Re-
formation unterdrückt hätte, hielt Sultan Soliman (so seltsam
wählt die Vorsehung die Mittel) ab, obgleich diesen wieder
Luther aus Europa hinausbeten wollte. Selbst auf Georgs
Lande übte Luther Einfluß aus, indem er mancher Nonne die
Flucht aus ihrem Kloster erleichterte, ohne noch zu ahnen, daß
eine derselben bald seine Hausfrau werden könne. Eine Kirchen-
visitation, welche auf Befehl des Reichsregimentes die Bischöfe
von Meißen und Merseburg auch in kursächsischen Gebietstheilen
vornahmen, lehrte bald, daß eine Zurückführung zum Alten