1530
500 Reichstag zu Augsburg 1530.
der abzustellenden Mißbräuche vorzulegen und vorzulesen, so
wurde unn an dem deukwürdigen 25. Juni 1530 in offuer
Reichsversammlung ein von Melanchthon während des zwei-
monatlichen Wartens auf den Kaiser höchst planmäßig vor-
bereitetes Glaubensbekenntniß (die berühmte confessio fidei
augustana) durch den sächsischen Kanzler Dr. Bayer erst in
deutscher Sprache vorgelesen, dann lateinisch dem Kaiser über-
reicht. Was neun Jahre früher ein einfach schlichter Mönch
mit gleichem Muthe ausgesprochen, das, erwejtert, durchgebildet,
vertraten jetzt füuf Fürsten und zwei Städte, Repräsentanten
eines wichtigen Theils von Deutschland, gefaßt, wenn es so
sein müsse, in die Wagschale ihrer Schrift auch noch das
Schwert zu werfen, und wir dürfen glauben, daß eine so feier-
liche Stunde auch für das ganze Leben Johann Friedrichs nicht
ohne Nachwirkung geblieben ist. Aber die Arbeit Melauchthons
war auch ein Meisterstück. Wer läse unbefangen die confessio
und gewänne den edlen Melster Phllipp nicht noch lleber?
Fast einem Siege glich auch die Wirkung dieser Vorlesung.
Sie zerriß mit einem Male die lügenvollen Nebel, welche Fana-
tismus und Factionsgeist um den Lehrbegriff der Protestanten
sorgfältig herumgezogen, und mancher Kirchen= und Laien-Fürst
der andern Partei erklärte: er habe sich's doch viel schlimmer
gedacht. Nur daß die Wahrheit und ihre Wiederherstellung
von einem armen Mönch ausgehen solle, schien das Uner-
trägliche. Gewiß, die Sache wurde mehr, als Karl in ihr
beabsichtigte, als eine einleitende Formalität. Sie durchflog
Deutschland, Frankreich, Spanien in Übersetzungen und hallte
im hohen Norden wieder. Nicht so glücklich ging es der auf
Karls Befehl von einigen Theologen der katholischen Partei
gearbeiteten Confutation: denn gegen das Ausschreiben kam es
zu keiner ähnlichen Darlegung des katholischen Lehrbegriffes,
wozu die Katholiken ihre guten Gründe haben mochten. Die
erste Arbeit verwarf sogar der Kaiser selbst. Eine zweite wurde
am 3. August feierlich verlesen, aber anfangs jede Abschrift
davon den Evangelischen verweigert, da sie auch ohne diese sich
nun für überwunden erklären würden. Desungeachtet ver-
faßten die protestantischen Theologen aus dem Gedächtniß eine