Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Der passauer Vertrag. 611 
war unterdessen Ferdinand zu seinem Bruder nach Villach geeilt 
und hatte von ihm wenigstens die Zusage erlangt, daß er bis 
zum Neichstage gegen die Gegenpartei keine Gewalt amwenden 
wolle; in dieser Gestalt nahmen die vermittelunden Fürsten, 
nahm am 29. Juli auch Moritz ohne weitere Rücksicht auf seinen 
Verbündeten, den König von Frankreich, den Vertrag an, und 
am 2. August 1) gelangte er zu Passau zu allseitigem Vollzug: 
der Landgraf solle in Freiheit gesetzt, die anderen Geächteten, 
Schärtlin, Heideck ꝛc. wieder zu Guaden angenommen werden; 
wegen der Religion solle binnen 6 Monaten ein Reichstag ge- 
halten werden, um zu untersuchen, ob der Zwiespalt in der 
Religion durch ein allgemeines oder ein Nationalkoncil oder 
Colloquium oder von einer Reichsversammlung zu schlichten sei; 
bis zu einem solchen Schlusse solle kein Stand augsburzgischer 
Confession wider sein Gewissen und Willen beschwert, sondern 
ruhig und friedsam bei seinem Glauben und seiner Religions= 
Üibung gelassen werden, die augsburgischen Confessionsverwandten 
sollen zum Kammergericht zugelassen und dasselbe diesem Fried= 
stande auch seinerseits nachzukommen angewiesen werden. Das 
wichtigste Zugeständniß aber war in einem zwar nicht vom 
Kaiser, aber von den vermittelnden Fürsten verbürgten Neben- 
vertrage enthalten, daß nämlich, wären die vorgeschlagenen Wege 
der Religion halber ohne Erfolg, der Friedstand demmoch bis 
zur endlichen Vergleichung bei seinen Kräften bestehen und 
bleiben solle 2). 
1) ürer das verschicdenc Dalum s. Häberlin, Ncueste deutsche Reichs- 
geschichte (1775) II, 203; Sleidan (ed. Böhme) III, 390: „pridie 
Calendas Augnsti“; die Urkunde im Recueil de traitéz 11, 261—267 
(2 August). Mit Moritz unterhaudelte vor Frankfurt im Namen Ferdi- 
nands der böhmische Kanzler Heinrich v. Plauen den Frieden wahrscheinlich 
schon den 20. Juli, und auf diese Bedingungen wurde nach vier Tagen 
zu Passau abgeschlossen. (Wann aber ratisicirt, da Moritz seine Völker 
schon am 3. August von Franlfurt wegführte? Hier bleibt noch einigcs 
duntel; vergl. v. Langenn, Moriz I, 535.) 
2) Ranke V, 139 ff.; Voigt, Der Fürstenbund gegen Kaiser Karl V. 
in v. Raumecr, Hist. Taschenbuch (1857), S. 17 ff.; v. Langenn, 
Moritz I, 503 ff.; Mauernbrecher a. a. O., S. 254 ff. 
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