Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Erster Band: Von den frühesten Zeiten bis zur Mitte des sechzehnten Jahrhunderts. (1)

Sitten. 651 
Wittenberg werde nicht den Veitstanz noch St. Johannistanz 
sondern den Bettlerstanz tanzen. Denn alle Schand“, Unzucht, 
Wucher, Geiz und Fraß hat überhand genommen, Weiber und 
Jungfrauen fangen an vornen und hinten sich zu entblößen, 
und ist Niemand der da straffet oder wehret, und wird Gottes 
Wort dazu verspottet. Nur hinweg aus diesem Sodoma“ 1): — 
so kann es doch nicht ganz aus der Luft gegriffen sein. Man 
predigte nach der Sprache jener Zeit gegen einen Schrap-, 
Sauf= und Hosen-Teufel. Unter dem ersten mag das unge- 
bührliche Schlemmen bei Gastereien rerstanden worden sein, 
gegen welches wie gegen das Zutrinken vielfache Verbote er- 
gingen. Ein wittenberger Rector und Doctor solle nicht mehr 
als 8— 10 Tische Gäste (an jedem 121), Magistri nur halb 
soviel, versteht sich bei feierlichen Gelegenheiten, bitten dürfen. 
In dem reichen Leipzig fanden sich ähnliche Unsitten vor. Kleider 
über 40 Fl. waren den Rathsherren, Zobel und Hermelin 
ihren Weibern verboten. Die öffentlichen Dirnen (die wenigstens 
in Dresden ein eigenes Frauenhaus hatten) und die gemeinen 
Weiber sollen kurze Mäntel tragen, gelb mit blauen Schnüren. 
Elne einzige Pluderhose, die nicht einmal das Nothwendigste 
bedeckte, bezahlte oft der Student mit seinem ganzen Wechsel. 
Endlich wurde 3jährige Relegation auf diese Tracht gecsetzt. 
Auch über die schnellen Andelungen der Mode wurde schon 
geklagt. Der Ton der Studenten auf beiden Universitäten 
war gleich roh; die vielen Schriften De cerevisiae potu, De 
ebrietate zeigen dies hinlänglich an; der Pennalismus und das 
Depositionsunwesen herrschten hier ebensogut wie anderwärts?). 
Aus den polizeilichen Verordnungen jener Zeit kann man 
manchen Beitrag zu den Sitten und Gebräuchen entnehmen, 
aber auch aus ihrer häufigen Wiederholung schließen, wie wenig 
damit gefruchtet worden; sie mußten schon deshalb unwirksam 
1) Strobel, Beiträge zur Literatur bes. des 16. Jahrhundertê 
(1784) 1, 240. 
2) Barth. Sastrowens Lebenslauf (herausgegeben von Mohnike) 
I. 188; II, 710. Grohmann, Annalen v. Wittenberg 1II. 217, mit 
reicher Literatur über diesen Gegenstand. Thomasius, Erläut. zu 
Melchior v. Osse's Bedenken, S. 229—33 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.