1556
90 Kurfürst August.
Er selbst nahm bei dem aus Mecklenburg berufenen Mathe=
matiker Tilemann Stella Unterricht in der Geometrie, ver-
ordnete die Aufnahme der Arithmetik unter die Lehrgegenstände
der höheren Schulen, legte bei den Universitäten botanische
Gärten an, ließ meteorologische Beobachtungen aufzeichnen,
suchte seine Keuntnisse in der Mechanik zu nützlichen Erfindungen
zu verwerthen, trieb im Verein mit seiner Gemahlin Alchymie,
Chiromantie und Astrologie und verirrte sich dabei in Versuche,
sich aus Combinationen von Zahlen und durch Punktiren
Fragen an die Zukunft, z. B. ob der torgauer Theologen-
convent seinen Zweck erreichen, ob Kaiser Maximilian genesen
oder sterben werde, zu beantworten 1), nahm, um in die Ge-
heimnisse der Kabbala einzudringen, bereits 50jährig, noch
bei dem leipziger Professor El. Hutter Unterricht im Hebräi-
schen, begründete das Naturalienkabinet oder die Kunstkammer,
für welches mit Vorliebe Seltsamkeiten aller Art, neben Meer-
wundern, Sirenen und einem Meteorstein auch ein ausgestopfter
Phönix erworben wurden, richtete Sammlungen von Landkarten,
von Münzen und Antiken, von physikalischen und mathemati-
schen Instrumenten ein und legte seit 1556 durch eine zunächst
größtentheils in Annaburg aufsgestellte, theils zu Leipzig, theils
im Auslande angekaufte Sammlung von meist deutschen, wissen-
schaftlichen Werken in 2354 Bänden den Grund zu der nach-
mals so berühmt gewordenen dresdner Bibliothek 2). Unter
den Wissenschaften hob sich damals keine mehr als die Arzuei-
kunst; bedeutender noch als der kurfürstliche Leibarzt Joh.
Neefe, der Verfasser einer Schrift über die Pest, waren in
derselben die wittenberger Anatomen Schurf und Alberti, welcher
letztere das erste Lehrbuch der Anatomie mit Abbildungen
herausgab. Paul Luther, des Neformators Sohn, und seit
1) Solche Punktirungen von Augusts Hand bewahrt die dresduer
Bibliothek mehrere.
2) Ebert, Gesch. u. Beschreibung d. k. Bibliothek z. Dresden
S. 22 ff. Des Gceorg Fabricius Bibliothek wurde wahrscheinlich cist nach
Augusts Tode erworben; die bedentendsten Privatbibliotheken warcn die
des Herm. Pissoris zu Seußlitz und des Herru v. Werthern in Thüringen.