Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Absall vom orthodoxen Lutherthum. 101 
niß einer Verständigung mit den Reformirten, ausdrücklich auf- 
gehoben, den akademischen Lehrern, bald auch allen Predigern 
alles dogmatische Gezänk, d. h. das damals auf allen Kanzeln 
heimische Eifern gegen den Calvinismus untersagt, das Ober- 
consistorium aufgelöst und dafür das alte zu Meißen wieder- 
hergestellt, alle theologischen Druckschriften einer Censur unter- 
stellt, — Maßregeln, die, wennschon von einem großen Theile 
der Gebildeten gebilligt, dennoch nicht nur das Mifßfallen der 
Stände erregten, sondern auch den ganzen orthodoxen Theil 
der Geistlichkeit herausforderten. Der Hofprediger Mirus er- 
öffnete den Kampf, indem er geradezu Crell, die Doctoren 
Wesenbeck und May in Wittenberg und den meißner Rector 
Ladislaus beim Kurfürsten als Kryptocalvinisten verklagte und 
eine förmliche Zusicherung, „daß in den kurfürstlichen Landen 
keine andere Religion geduldet werden solle“, verlangte. Obgleich 
Crell hicrauf erklärte, er sei hinsichtlich der Lehre der Meinung 
Philippi, in dem ihm abgeforderten Bekenntniß ausdrücklich 
Calvins Lehre verwarf und sich zu der Luthers bekannte, so 
befriedigte dies doch den aufgebrachten Zeloten so wenig, daß er 
mun nicht nur seinen Amtsbruder Salmuth dennncirte, sondern 
sogar seine Angriffe von der Kanzel herab gegen den Kurfürsten 
selbst richtete, bis er endlich auf den Königstein gebracht und 
erst gegen Ausstellung eines Reverses freigelassen wurde. Unter 
solchen Umständen fand der Kanzler David Pfeifer, einst ein 
Hauptbeförderer der Concordienformel, seine Stellung nicht 
länger haltbar; er nahm seine Entlassung und sein Nachfolger 
wurde Crell, der nun im Besitz des uneingeschränkten Ver- 
trauens seines Herrn sofort eine tief eingreifende Veränderung 
vornahm, indem er den Geheimenrath mit dem Hofrathe ver- 
einigte, diesem gesammten Rathe jedoch nur die gewöhnlichen 
Regierungsgeschäfte überwies, wogegen die ganz geheimen der 
Entscheidung des Kanzlers vorbehalten blieben, derart, daß 
er nicht nur über diese dem Kurfürsten unmittelbar Vortrag 
zu halten und von ihm Bescheid zu erholen, sondern auch selbst 
zu bestimmen hatte, welche Angelegenheiten unter die letztere 
Kategorie zu rechnen seien. Auf diese Weise erreichte Crell,
	        
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