Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

1601 
110 Die Administration Friedrich Wilhelms von Sachsen -Weimar. 
geschah. Eilend die Sache vor Ablauf der Vormundschaft zum 
erwünschten Ende zu bringen, schickte der Administrator, an- 
geblich zum Beweise seiner Unparteilichkeit, die Acten mit mög- 
lichster Heimlichkeit an die böhmische Appellationskammer zu 
Prag, und auf Grund des Informats dieser durchaus in- 
competenten Behörde, welches aufs Schwert lautete 1), sprach 
er ohne Fug und Recht das Todesurtheil. Crells Protestation 
gegen dieses formlose Verfahren kam zu spät; am 23. Sep- 
tember, dem Tage nach der Publication des Urtheils, hatte 
Friedrich Wilhelm sein Amt in die Hände des nunmehr mün- 
digen Kurfürsten Christian II. niedergelegt. In den ersten 
Tagen der neuen Regierung, am 9. October 1601, wurde 
Crell nach zehnjähriger schwerer Kerkerhaft auf dem Markte 
zu Dresden in Gegenwart der Kurfürstin Sophie hingerichtet, 
ein Opfer des confessionellen, mehr noch des politischen Hasses, 
dem Kaiserhofe ein Unterpfand für die fernere Haltung der 
sächsischen Politik, die schon bei Augusts Lebzeiten, seit dem 
hennebergischen Handel, sich von Osterreich zurückzuziehen an- 
gefangen hatte ?). 
Im Übrigen genoß der Administrator den Ruhm eines 
thätigen, rechtlichen, frommen und gelehrten Fürsten 3). Freilich 
die Hoffnung auf ein einmüthiges Zusammenstehen der Pro- 
testanten, das sie in Stand gesetzt hätte der furchtbar an- 
1) Siehe dasselbe in Müllers Annalen, S. 228. — Die wichtig- 
sten Actenstücke über Crells Proceß in Samml. verm. Nachr. z. sächs. 
Gesch. IV, 1—185; V, 295—333. Vgl. dazu Gretschel a. a. O. 
II, 135 ff. und Nichard, Der Kanzler Dr. Nic. Crell. 
2) Als Crells Haupt fiel, rief der Scharfrichter: „Das war ein 
calvinischer Streich! Seine Tenfelsgesellen mögen sich wohl fürsehen, denn 
man schont allhier keinen!“ Die Leichenpredigt des dohnaischen Pfarrers 
Blume üÜber den custodirten Dr. Nic. Crell ist eines der abschreckendsten 
Denkmalc der Unduldsamkeit und des priesterlichen Hochmuthes jener Zeit. 
3) Er legte cine eigene Druckerei in Torgau an, die nachher nach 
Weimar und Altenburg kam, lich Guevaras Leben Mark Aurels für 
seine Mündel ind Latein Üübersetzen, trug ein Gebetbuch zusammen, übersetzte 
selbst Mehreres und eignete es, mit trefflichen Lehren begleitet, seinen 
Mündeln zu. Wette, Kurzgefaßte Lebensgesch. d. Herzoge von Wcimar 
(1770), S. 168.
	        
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