1661
212 Inneres 1586—1656.
wo sich die Leibeigenschaft länger erhalten hatte als in Meißen,
daher die immer lauter werdenden Klagen der ersteren die lau-
sitzer Stände veraulaßten, dasselbe im Jahre 1651 von neuem
zu regeln; am schlimmsten war es in der Niederlausitz, wo
die Unterthanen wenige Güter erb= und eigenthümlich, sondern
größtentheils bloß Laßgüter besaßen und zu ungemessenen Dien-
sten verpflichtet waren 1). Wie nachtheilig der übermäßige
Wildstand wurde, ist bereits hervorgehoben; selbst die Gesetz-
gebung wurde gransam, damit die kurfürstliche Leidenschaft für
das Waidwerk sich ungehindert befriedigen könne. Da die schon
von Kurfürst August angeordnete Klöppelung der Hunde nichts
half, so sollte nach einer Verordnung Christians I. allen Hun-
den, welche die Unterthanen mit aufs Feld nahmen, ein Vor-
derfuß abgelöst werden; auf Wilddiebstahl setzte Christian II.
von neuem den Galgen. Die Verzeichnisse von 1611—1653
ergeben 113629 Stück Wild, z. B. 28000 Wildschweine,
208 Bären, 3543 Wölfe, 200 Luchse, 18957 Füchse, die nur
vom Kurfürsten selbst oder in seiner Gegenwart erlegt wor-
den sind.
Der allgemeine Zustand der Sitten läßt nur zu deutlich
erkennen, wie der schon den vorigen Zeitraum scharf bezeichnende
Hang zu materiellem Genuß nicht bloß sich fort und fort er-
hielt, sondern immer größere Herrschaft gewam, zumal seitdem
im Gefolge des Krieges Roheit und Verwilderung hereinbrachen
und dem mit der tiefsten materiellen Noth ringenden Geschlechte
alle Idealität, alle Vertiefung des Gemüths abhanden kam.
Das einzige Mittel, das man dagegen anzuwenden wußte, be-
stand in äußerlichen Verboten; daher die Unzahl der sich in
alle Verhältuisse eindrängenden Polizeivorschriften, die bei dem
schlimmen Beispiele, das gerade von den höchsten Schichten der
Gesellschaft gegeben wurde und bei der Schlaffheit der Con-
trole, überall unwirksam blieben. Ebensowenig besaß die Kirche,
obgleich damals noch im Besitze einer viel umfassenderen Herr-
schaft über die Gemüther als später, hinreichend belebende Kraft,
um eine innerliche Zucht zu üben, die sich auch durch Fasten-
1) Gretschel, Gesch. II, 391.