214 Inneres 1586—1656.
Wie wenig unter so traurigen Umständen an ein fröhliches
Gedeihen des geistigen Lebens unserer Nation zu denken war,
das spiegelt sich auch in den Verhältnissen Sachsens sehr deut-
lich ab. Zunächst in dem Verfall der Schulen und Univer-
sitäten. Zwar stammt aus diesem Zeitraume die Schul-
ordnung Christians II. von 1601, die bis 1708 in Geltung
blieb, dagegen hinderte nicht nur die unbedingte Herrschaft der
lutherischen Orthodoxie, die jede Anderung von vorn herein
im Verdachte der Heterodoxie hatte und sogar schon die Schüler
mit dogmatischen Spitzfindigkeiten peinigte 1), allen Fortschritt
im Schulwesen, sondern auch die schlechte Verwaltung in den
Händen von Leuten, die „den Schulen und geistlichen Einkünf-
ten übel affectionirt waren“, endlich der Krieg, der den Schu-
len noch schädlicher war als den Universitäten, bewirkten, daß
schon 1635 die niederen Schulen entweder ganz eingegangen,
oder doch die Lehrer ohne Besoldung waren und selbst die
Fürstenschulen kaum mehr zwei oder drei Tische besetzt hatten?).
In Leipzig verordnete 1652 der Rath, „daß die scholares va-
gantes, welche in der Stadt singen und betteln wollten, exa-
minirt und, was seine ingenia und in musicis wohl exercirt,
auf die Schule genommen, im Gegentheil aber mit einem
viatico dimittirt werden sollten"“. Die Universität Witten-
berg wurde durch die kryptocalvinistischen Verfolgungen der-
maßen entvölkert, daß sie bei der Visitation unter dem Ad-
ministrator kaum 450 Studenten zählte, doch hob sie sich bald
wieder und scheint selbst zu denjenigen Universitäten gehört zu
haben, wo sich einige Zucht erhielt; wenigstens sprach sich
Johann Georg 1646 befriedigt über die dortigen Zustände
1) Themata für Schüler wie: Utrum curo Christi cum ipsa dei-
tate adoranda sit nec ner An mundus interiturus sit secundum sub-
stantiam an secundum qualitatem? An cuique hominum unus certus
angelus adjungatur an plures? siehe in PFertuchii Chronicon Portense
(1612), p. 52.
2) Hos schreibt: „Tanta est gymnasiorum praecipuorum et impri-
mis etiam electoralium miseria, tantus squunlor, ut nec docentes nec
discentes umplius ali possint.“ Tholuck, Das akademische Leben des
17. Jahrhunderts (1853) I, 197. s