220 Inneres 1586—1656.
die Medicin, die durch den wunderlichen Paracelsus allgemein
einen frischeren Impuls erhalten hatte, an der Hand der Natur-
wissenschaften auch hier bemerkenswerthe Fortschritte; sie fand u. a.
namentlich an Dan. Semert, dessen Ruf zahlreiche Studenten
nach Wittenberg zog, einen würdigen Vertreter. Seit 1605
wurde in Leipzig Chemie vorgetragen; 1624 erhielt Dr. Nie-
mann in Wittenberg Auftrag, seine Mediciner jährlich zweimal
herbatum zu führen, auch sollte jährlich zweimal sectio cor-
Pporum humanorum vorgenommen werden; die Anlegung eines
hortus medicus wurde wenigstens beabsichtigt, um ein astro-
nomisches Observatorium suchte jedoch Wittenberg 1603 ver-
gebens nach 1). In Dresden spielte dagegen unter Christian II.
der Adept Setonius Scotus eine Rolle, der, da er das Ge-
heimniß des Goldmachens nicht gutwillig offenbaren wollte,
zweimal gefoltert und dann in den Kerker geworfen wurde,
zwar durch Flucht entkam, aber bald an den Folgen der er-
littenen Mißhandlung starb.
Ueberhaupt geschah seit dem Gewaltstreiche, den Kurfürst
August 1574 gegen die freie Forschung in seinem Lande geführt
hatte, für die Wissenschaften von Seiten des Hofes nur wenig.
Sinn für eigene Beschäftigung mit denselben fehlte dort gänzlich.
Nur die dresdner Bibliothek bekam eigene Vorsteher und jährliche
Einkünfte von 100 Fl. und erfuhr eine Erweiterung durch
Erwerbung der wertherschen, der brandensteinischen und endlich
der tanbmannschen Bibliothek. Im Jahre 1616 wurde im
Schlosse eine Anatomiekammer zur Aufstellung merkwürdiger
Skelette angelegt.
Etwas freudiger dagegen regten sich trotz der freudlosen
Zeit unter der Gunst des Hofes einige Künste, nur daß sie
bei der in Deutschland überall eingerissenen Roheit und Ge-
schmacklosigkeit hier nicht minder als an anderen deutschen
Fürstenhöfen ihre Vorbilder mehr und mehr der Fremde ab-
1) über Leipzig siehe Gretschel, Die Universität Leipzig in der Ver-
gangenheit und Gegenwart (1830), S. 217 ff.; über Wittenberg: Groh-
mann, Aunalen II, 66—99. lüber das Allgemeine: Tholuck, Das
aladem. Leben des 17. Jahrh. (1853).