Wissenschaften und Künsie. 21
zuborgen anfingen und damit dem ohnehin erwachten Hange
zur Ausländerei Thür und Thor öffneten. In der Musik,
deren Pflege sich in den kleineren Städten durch die Cantoreien
erhielt, erlebte Dresden unter Johann Georg I. durch Heinrich
Schütz, den größten deutschen Tonsetzer des 17. Jahrhunderts,
eine Glanzperiode, wie sie dieser Stadt im 18. Jahrhundert
nur theilweise durch Hasse und Naumann, im 19. durch Weber
wiederkehrte. Geboren 1585 zu Köstritz, ein Schüler des
Venetianers Gabrieli und seit 1615 zur Leitung der kur-
fürstlichen Kapelle 1) berufen, machte er die damals zur reichsten
Entfaltung erblühte italienische Musik, vorzugsweise das neu
erfundene Recitatir, den Einzelgesang und die geistliche Concert-
form in selbständiger Weise auf deutschem Boden heimisch.
Die Noth des Kriegs vertrieb ihn zweimal nach Kopenhagen,
die vor kurzem so glänzende kurfürstliche Kapelle verkümmerte
und dies gab wahrscheinlich dem Kurprinzen die Veranlassung
zur Gründung einer eigenen Kapelle; der Einfluß aber, welchen
in dieser die Italiener mehr und mehr gewannen, erfüllte den
greisen Schütz mit einer bis an seinen Tod (1672) zunehmenden
Verstimmung 7). Es war aber keineswegs eine reine und
würdige Begeisterung für die Kunst an sich, was dieser am
dresdner Hofe Eingang verschaffte, sondern man pflegte sie nur,
insofern sic der Verherrlichung der Hoffeste, der Schaulust und
dem Sinnengenuß diente. Kopf-, Ning= und Quintanrennen
oder Caroussels nahmen die Stelle der früheren Turniere ein
und durften, verbunden mit Mummereien und phantastischen
Aufzügen, bei keiner Festlichkeit fehlen; indem man denselben
eigene Handlungen unterlegte, entstanden die durch die Bunt-
heit ihres Inhalts und die Pracht ihrer Inscenirung unter-
haltenden Inventionen, die oft mit Schlittenfahrten, Fischereien
und Jägereien verbunden waren und in deren Veranstaltung
1) Als ursprünglich zum Kirchendieuste bestimmt hatte dieselbe einen
besonderen Kurator oder Inspector, gewöhnlich in Person des Oberhof-
predigers.
2) Fürstenau, Zur Geschichte der Musik und des Theaters am
Hofe zu Dresden (1860) I, 22. Müller, Johann Georg I., S. 164 ff.