Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

232 Kurfürst Johann Georg II. 
Volke reichte nicht aus, die deutsche Nation vor der Ausnutzung 
durch das österreichische Sonderinteresse, vor der Begehrlichkeit 
der französischen Politik, vor der nordischen Suprematie 
Schwedens, noch auch die höchste Entfaltung des eigensten 
deutschen Geistes, die evangelische Glaubens= und Gewissens- 
freiheit vor der ertödtenden Umstrickung des römischen Glaubens- 
zwanges zu schützen. Daß sich Sachsen zu Lösung dieser Auf- 
gabe unfähig gezeigt, hatte Deutschland mit schwerer Einbuße nach 
allen Seiten hin bezahlt. Sollte nicht der Staatskörper in 
der Mitte von Europa völlig und für immer auseinanderfallen, 
sollte nicht das deutsche Volk aufhören eine eigene politische 
Existenz und eine selbständige nationale Entwickelung zu haben, 
so mußte von anderer Seite die Rettung kommen. Und diese 
zu bringen war Brandenburg vom Schicksal bestimmt. Unter 
einem Fürsten von starker Willenskraft, durchdringendem Scharf- 
blick und geringer Bedenklichkeit in der Wahl seiner Mittel, aber 
auch wie kaum einer seiner fürstlichen Zeitgenossen voll leben- 
digem Gefühl für die Würde und Größe seiner Nation ar- 
beitete es sich, gestützt auf seine neubegründete Militärmacht, 
mühsam aus der Abhängigkeit von Schweden und Polen empor, 
warf sich kühn der Eroberungssucht Ludwigs XIV. entgegen, 
erlöste dann sich und damit allmählich die deutsche Nation aus 
der Dienstbarkeit des unter dem kaiserlichen Mantel sich ver- 
bergenden habsburgischen Hausinteresses, sprengte durch sein 
Wachsthum sowohl, als durch seine moderne Staatsmaxime 
die erstarrten Formen der Reichsverfassung, legte aber auch 
gleichzeitig den Grund zu einer neuen nationalen Entwickelung 
und trat als protestantische Vormacht allmählich an die Stelle, 
die einst Sachsen eingenommen hatte. So konnte es deun nicht 
ausbleiben, daß dieses unter seinen schwachen und indolenten 
Fürsten, die undeutscher Gesinnung und abgekehrt von den 
Lebensfragen der Nation in nichts Höherem Befriedigung fanden, 
als in der Entfaltung eines dem Auslande nachgebildeten, glanz- 
vollen und prunkenden Hoflebens und durch eine verwahrloste 
Finanzwirthschaft die Kraft ihres Landes zerrütteten, sich mehr 
und mehr von dem aufstrebenden Nachbar überflügelt sah. Die
	        
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