1691
1692
266 Kurfürst Johann Georg IV.
Staatsbeamten hatten noch nicht gelernt sich vor einer Dirne
zu beugen; nur einzelne verstanden bereits die Kunst, sich an
ihre Schleppe zu hängen und sich von ihr emportragen zu
lassen. Trotzdem lag es in der Sache selbst, daß dieses be-
ginnende Maitressenregiment für den Staat und namentlich für
die Finanzen, deren Zerrüttung auch durch Johann Georgs III.
so kostspielige Kriegszüge immer mehr zugenommen hatte,
von den schädlichsten Folgen war. Soll doch schon damals
der Kammerdirector v. Hoym ein förmliches Register seiner
Expressungen und Buch und Nechnung „derer, die ihm hatten
ducken müssen“, unter denen sich der Kurfürst selbst befand,
geführt haben! 1) Eine Contusion, die der Kurfürst durch einen
Zufall am Kopfe erlitt, soll den Gebrauch seiner geistigen
Kräfte gestört haben. Wirkliche Energie zeigte er eigentlich
mur in der Behauptung der Landeshoheit über seine Vettern,
unter anderm ließ er, als Herzog Christian II. von Merseburg
von den Schriftsassen in Delitzsch, Zörbig und Bitterfeld die
Huldigung angenommen, im Jahre 1691 dessen Residenz mit
Truppen besetzen und 1694 einen auf kaiserlichen Befehl wegen
Münzverbrechen in Zeiz zur Haft gebrachten ehemaligen fürst-
lich-sächsischen Geheimenrath Schmidt durch 600 Mann, die
das Stadtthor aufhauen mußten, wegführen. Der Reichskrieg
gegen Frankreich schleppte sich matt und ruhmlos weiter und
auch Johann Georg that für denselben nichts, als daß er mit
dem fränkischen und schwäbischen Kreise Verträge schloß, durch
die er sich gegen eine beträchtliche Summe verpflichtete ihre
Grenzen zu decken. lüberhaupt wurde seit Johann Georgs Ill.
Tode in der politischen Haltung Sachsens eine Veränderung
bemerkbar: in demselben Maße, alds die Ergebenheit gegen
Osterreich erkaltete, wuchs die Hinneigung zu Brandenburg.
Im Jannar 1692 kam Kurfürst Friedrich III. persönlich nach
Torgau, um die alte Verbindung beider Häuser aufzufrischen,
zugleich aber auch, um den Nachbar beim Kampfe gegen Frank-
1) Büsching, Magazin f. d. neuere Historie und Geographie VIII,
461; siche auch Vic ct carnre du comte de Bruhl (1760), p. 30.