1694
1697
Inneres 1656—1697.
In Kultur und Sitte bereitet sich sichtbar eine Scheidung
von den Resten des Mittelalters, das der dreißigjährige Krieg
zerstört hatte, vor, wenn dasselbe auch noch in dem wiisten
Aberglauben, den Hexenprocessen, der Gransamkeit des Gerichts-
verfahrens mit seiner Tortur und der auf manchen Verbrechen,
z. B. dem Kindesmord, stehenden Strafe des Säckens 1) nach-
wirkt. Der gesellschaftliche Zustand, das Verhältniß der Stände
zu einander, das Hofleben, das Kriegswesen tragen ein Ge-
präge, welches viel größere Verwandtschaft mit dem folgenden
Jahrhundert als mit dem letztverflossenen Zeitraume zeigt.
Neben dem Tabak wurde jetzt der Kaffee, seitdem 1672 die
ersten indianischen Kaffeebohnen in die dresdner Naturalien=
sammlung gekommen waren, immer gewöhnlicher und half dem
Übermaß im Genuß des Bieres steuern; in Leipzig, wohin er
zuerst um 1694 gebracht worden zu sein scheint, entstand das
berühmte Kaffeehaus zum Kaffeebaum und schon 1697 verbot
der dortige Rath das ungebührliche Thee= und Kaffeeschenken,
aber 1725 hatte Leipzig schon acht privilegirte Kaffeehäuser;
das von Romanus erbaute Richtersche Kaffeehaus in Leipzig
wurde eins der schönsten Häuser Sachsens. Die Sitte der
Perücken wurde schnell so allgemein, daß 1676 eine Steuer
auf dieselben gelegt werden konnte. Das Leben am Hofe ge-
wann durch die ausländischen Abenteurer, die französische Tracht
und Sprache und die Maitressenwirthschaft, die sich daselbst ein-
zunisten begannen, durch die Pracht, die es entfaltete, und durch
die Pflege der ihr dienstbaren Künste ein durchaus verändertes
Ansehen. Zwar begann Joham Georyg llI. seine Regierung
mit Verabschiedung einer großen Anzahl von Kammerherren,
Kammerjunkern, Kastraten und Kroaten ), aber nicht lange,
1) Die letzte Säckung fand 1715 in Dresden statt. Hasche IV, 677.
2) Beim Antritt seiner Regierung firirte er die Ausgaben für seine
Person und den Hof auf 150000 Thlr.: nämlich 20000 Thlr. zum
Gartenbau, 30000 Thlr. Hochzeit-, Gevatter= u. a. Präsente und Aus-
gaben; 24000 Thlr. zu Kleidern, Weißzeng, Pferde-, Sattelzeng u. dergl.;
200000 Thlr. zu zwei jährlichen Livreen; 12000 Thlr. Spielgeld u. a.
Ausgaben zu eigenen Händen; 12000 Thlr. Besoldungen; 120|00 Thlr.