292 Inneres 1656—1697.
anfingen. Herzog Moritz von Sachsen-Zeiz ließ sogar seine
Schüler vor dem Besuche der Hochschule durch seinen Hofprediger
examiniren. In Wittenberg las bis 1679 der geniale Eul-
decker des Phosphors und des Nubinglases, Johann Kunkel,
Director des aunaburger Laboratoriums, über Chemie und
verwandte Disciplinen, Kirchmaier über Botanik, Okonomie
und Mineralogie; einen ausgezeichneten Gelehrten besaß die
Universität an dem Polyhistor Samuel Schurzfleisch, der 1690
mit Begeisterung selbst den classischen Boden Latiums gesehen
hatte (st. 1708). Unter den Juristen kennt man Ang. Strauch,
Casp. Ziegler und Sam. Stryck 1). Vornehmlich aber beruhte
die Bedeutung Wittenbergs auf dem Ansehen, welches seine
theologische Facultät noch immer genoß; aber wo es galt, das
Panier des unverfälschten Lutherthums emporzuhalten, sah sie
sich immer mehr von den alten Bundesgenossen verlassen, in-
dem die anderen Universitäten der neuen Zeitrichtung sich nicht
zu verschließen vermochten. Noch einmal erhob sie sich unter
Führung des zelotischen Abraham Calov, dem in Leipzig der
dortige Hauptvertreter der lutherischen Scholastik, der Ostfriese
Hülsemann, secundirte, als sie ihre Herrschaft durch den wieder
au Melauchthon anknüpfenden Synkretismus des trefflichen helm-
städter Theolotzen Georg Calixtus bedroht sah, und dies mit
solcher Heftigkeit, daß mehrere protestautische Fürsten Johann
Georg II. ersuchten, seine Theologen zur Mäßigung anzuhalten;
sie erhielten aber zur Antwort, „daß er dem heiligen Geiste
das Maul nicht stopfen dürfe“. Im Jahre 1655 ließen die
wittenberger Theologen unter dem Titel Consensus repctitus
lilei vere christiange eine neue Bekenntnißschrift, in welcher
dem Calixt 58 IJrrthümer aufgezählt wurden, ausgehen, damit
dieselbe unterschrieben von allen lutherischen Universitäten den
Synkretismus mit einem Schlage vernichte. Aber wenn sie
auch die ganze Rüstkammer theologischer Schimpfwörter gegen
den verhaßten Feind leerten, sie waren Epigonen ohne Kraft
und die Zeit der Glaubensformeln war vorüber; nirgends
!) Grohmann, Annalen llI.