Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Ph. J. Spener nud der Pietisnins. 297 
Kirche hinwies, selbst den Beisall eines Olcarins, Calov und 
Carpzov. 
Diesem Manne ließ Johann Georg III., der ihn im Jahre 
16854 zu Frankfurt hatte predigen hören, nach Lucius' Tode 
1086 durch Seckendorf die Stelle des Oberhofpredigers in 
Dresden, die damals noch als die erste der ganzen evangelischen 
Kirche galt, anbieten. Auch hier begann er mit seinen Kate- 
chismuslehren, dem Predigerunterrichte der Confirmanden und 
seiner erbaulichen, durch ihre Länge freilich ermüdenden Predigt- 
weise. Aber der Same, den er ausstreute, fand nur wenig 
empfänglichen Boden. Der genußsüchtige Hof mit Ausnahme 
der frommen Kurfürstin und der Kurfürstin-Wittwe, deren 
Vertrauen er sich in hohem Grade erwarb, nahm Anstoß an 
seiner rücksichtslosen Gewissenhaftigkeit und Treue im Dienste 
Gottes; die Gemeinde wies seine Bemühungen, die ihm au- 
vertrauten Seelen für das Reich Gottes zu gewinnen mit 
Mißtrauen und selbst mit Spott von sich; seine Abneigung 
gegen dogmatisches Schulgezänk, seine von allem geistlichen 
Hochmuth freie Selbstverlängnung, seine duldsame Anerkennung 
des Guten auch in anderen Kirchen weckte bald den Zorn, bald 
die Verachtung der zünftigen Theologen. 
Bald fand auch der Pietismus den Weg aufs Katheder. 
Ohne Speners Zuthun aber in seinem Geiste waren im Jahre 
seiner Bernfung in Leipzig einige jüngere Magister, Aug. Herm. 
Franke, Paul Anton und Joh. Casp. Schade, zu einem Colle- 
xium philobihlicum zusammengetreten, in welchem sic sich ein 
gemeinschaftliches eifriges Studium der heiligen Schrift in den 
Grundsprachen vorsetzten, da die biblische Exegese von Seiten 
der Facultät dermaßen vernachlässigt wurde, daß zuweilen in 
fünf bis sechs Studienjahren nicht eine einzige exegetische Vor- 
lesung einbegriffen und nach Franke's Versicherung in seiner 
Studienzeit nicht einmal eine Bibel in den leipziger Buch 
handlungen zu finden war. Daraus und aus der neuen le- 
bendigen Methode erklärt sich der große Anklang, den dieses 
Collegium fand. Da sich immer mehr Theilnehmer dazu 
drängten, siellten sie sich unter das Präsidium des Professors
	        
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