Erwerbung der polnischen Kroue. 811
in einen den Interessen seines Erblandes gänzlich fremden
Krieg stürzte, gab unbedachtsam einen großen Theil jenes Ge-
winnes wieder hin, indem er aufs neue die schwedischen Waffen
in das Reich zog und, was noch schlimmer, der Festsetzung der
russischen Macht in Polen, dicht an der Grenze Deutschlands,
in die Hände arbeitete 1). Flemmings Dienste belohnte August
damit, daß er ihn mit dem Amte eines Generalerbpostmeisters
und den leipziger Posteinkünften belohnte; beides verkaufte der-
selbe aber 1703 dem Kurfürsten für 150000 Thaler, Beibe-
haltung des Titels für seinen Bruder und jährliche 1000 Thaler
für sich selbst; 1699 wurde er Generalleutnant.
Die Rückwirkung der neuen Erwerbung auf Sachsen, das
alte, treue, angestammte Land, waren in jeder Hinsicht höchst
unerfreulich. Voll tiefer Trauer vernahm die Kurfürstin
Anna Sophia auf ihrem Wittwensitz Lichtenburg die Abtrünnig-
keit ihres Sohnes 7); gleicher Schmerz ergriff seine fromme
Gemahlin Christiane Eberhardine, die Betsäule von Sachsen,
wie sie das Volk naunte; sie weigerte sich anfänglich den könig-
lichen Titel anzulegen und leistete der Einladung nach Polen,
wo man auch ihren libertritt erwartete, ebenso Widerstand
wie den Bekehrungsversuchen des Bischofs von Raab; sie zog
sich in die Einsamkeit nach Pretzsch bei Wittenberg zurück, wo
sie 1727 starb. Und wer mochte es den Sachsen verdenken,
wenn sie nach dem Te Teum für die Königswahl 24. Juni
4. Juli lutherische Kraftlieder wie Selneckers „Ach bleib bei
uns, Herr Jesu Christ“ anstimmten? ) Im ganzen war je-
doch die confessionelle Ermattung zu weit vorgeschritten, als
daß nicht das Volk jenes Ereigniß verhältnißmäßig ruhig, ja
gleichgiltig hingenommen hätte. Vergeblich sucht man in der
Literatur jener Zeit nach einem Ausdruck des Schmerzes oder des
1) Helbig, Polnische Wirthschast und französische Diplomatic, 1692
bis 1097, in v. Sybel, Histor. Zecitschrift 1, 380 ff.
2) Die Trostbricse seines ehemaligen Lehrers Spener an dieselbe siche
bei Hoßbach II, 34 ff.
3) Müller, Annalen, S. 640. Hasche, Gesch. Dresdens III, 310.