Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

1788 
888 Inneres 1697—1733. 
holt veranlaßt fand Angriffe gegen Andersdenkende von Kanzel 
und Katheder bei strenger Strafe zu verbieten; zwar schärfte 
noch das wittenberger Visitationsdecret von 1727 das jura- 
mentum roligionis für alle öffentlichen Lehrer aufs neue ein, 
aber doch brach sich auch in Sachsen eine versöhnlichere An- 
schauung in religiösen Dingen mehr und mehr Bahn. Gerade 
die beiden bedeutendsten und würdigsten Vorkämpfer der Ortho- 
doxie, Wernsdorf und Valentin Löscher, letzterer von 1709 
bis zu seinem Tode 1749 Superintendent zu Dresden, Verfasser 
der Historia motuum und besonders wegen seines Eifers für 
Verbesserung des Volksschulwesens rühmenswerth, zeigen, daß 
auch sie von Speners segensreicher Einwirkung nicht unberührt 
geblieben waren. Aber die Zeit erklärte sich immer entschiedener 
gegen die Orthodoxie; nicht mehr von oben herab protegirt 
sah sie sich aus der Offensive in die Defensive zurückgeworfen 
und das freiere philosophische System Christian Wolfs, das die 
zuerst von Leibnitz für die vornehme Welt ausgesprochenen 
Ideen zum Gemeingut aller Gebildeten machte, entriß ihr 
die Herrschaft, wenn auch noch den Wittenbergern ein Gut- 
achten abgefordert wurde, ob nicht einer vom Predigtamt zu 
ercludiren sei, weil er die wolfische Philosophie studiret 1). Im 
Jahre 1706 entsendete Sachsen seinen ersten Missionair, Barthol. 
Ziegenbalg, der 1719 zu Trangquebar starb. 
Wittenberg, welches im Jahre 1702 unter dem Recto- 
rate des Kurprinzen Friedrich August sein zweites Jubelfest 
beging, sah die Zahl der Studirenden sinken theils in Folge 
der Vervielfältigung der Hochschulen überhaupt, besonders 
aber durch das 1723 auch auf die Juristen und Mediziner 
ausgedehnte brandenburgische Verbot (S. 293), gegen welches 
Sachsen 1726 Repressalien ergriff. Die Deposition wurde 
1733 völlig abgeschafft und nur von der philosophischen Facultät 
nach vorgenommener Prüfung der Neuangekommenen ein bloßer 
Depositionsschein gegeben. Zwar besaß Wittenberg manchen 
1) Büsching, Beiträge zur Lebensgeschichte denkwürdiger Personen 
(1783) 1, 33. — Tholuck, Theologen Wiltenbergs, S. 209.
	        
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