Kunstleben am Hose. 997
London. Weit über die Grenzen des eigenen Landes reichte
der Einfluß des Kunstlebens, welches am dresdner Hofe blühte 7).
Während man aber hier mit Entzücken den Tönen fremdlän-
discher Musen lauschte, erwuchs aus den bescheidenen Kreisen
des deutschen Bürgerthums der größte Tonmeister, den Deutsch-
land je besessen, Sebastian Bach, seit 1723 als Kuhnau's Nach-
folger Kantor der leipziger Thomasschule, bei aller Werth-
schätzung der dresdner Kunstrichtung von entschieden deutsch-
nationalem und dies heißt zugleich protestantischem Gepräge.
Der Triumph, den er 1717 bei seinem ersten Erscheinen in
Dresden in dem Wettstreite mit dem französischen Virtuosen
Marchand davontrug, deutete wie symbolisch auf den Sieg, der
von ihm an der deutschen Musik über die ausländische bestimmt
war. Neben ihm ist Homilius, der Kantor der Kreuzschule,
mit Ehren zu neunen; auch den Erfinder des Pianofortes,
Schröter, und den großen Orgelbauer Silbermann zählte Sachsen
zu den Seinen. Hoffähig freilich war dic deutsche Musik so
wenig wie die deutsche Literatur; wenn auch in Dresden durch
den gräflich reußischen Rath Jungmichel v. Michelsberg 1690
ein Leopoldsorden „zur Beförderung der deutschen Helden-
sprache“ entstand, so war doch für die gute Gesellschaft nur
die franzüsische Sprache und Literatur vorhauden 2). Man
darf es ihr freilich nicht verdenken, wenn sie der Eleganz und
dem Witze der Franzosen den Vorzug gab vor dem geschmack-
losen Schwulste der zweiten schlesischen Schule, die auch in
Sachsen an dem Thüringer Hunold, genannt Menantes, ihren
Vertreter gefunden hatte, oder vor dem seiner Zeit viel ge-
priesenen Romane der asiatischen Banise des Oberlausitzers
A. v. Ziegler und Klipphausen, oder vollends vor den steifen
und geistlosen Reimereien des kurfürstlichen Cermonienmeisters
1) Fürstenau a. a: O. II, 2 ff.
2) Ein Beispicl, mit welcher sonvcräucu Verachtung dieselbe sich auch
in dieser über alle Regeln der Orthographie hinwegsetzte, aus einem
Schreiben Augusts an seinen Gesandten im Haag (Schulenburg l, 222):
„La n0 uvelles de larres de Monsieur Batcoul mestras sen doustes boucous
de mondes en esttonnemen suer tout geus qui ont eus par des trestes
duil as conclus avec Mr. Strattman etc.“