440 Kurjürst Friedrich August II.
dem Zustande wieder au das Kurhaus gelangen müßten, in
welchem sie von den Nebenlinien übernommen worden waren;
folglich seien alle von diesen vorgenommenen Veränderungen
ungiltig und die an Gemeinden oder Private veräußerten Do-
manialgrundstücke und Gerechtsame sogenannte avulsa, zu denen
das Kurhaus keine Verbindlichkeit hätte. Mit noch schreienderer
Widerrechtlichkeit wurde dies auf das Fürstenthum QOuerfurt,
das niemals von Kursachsen besessen worden war, und die beiden
Stifter ausgedehnt. Zweck dabei war, daß nun alle jene avulsa
bei der Kammer, deren Präsident Brühl war, von neuem ge-
sucht und mit schweren Opfern an die Secretäre nochmals
gewonnen werden mußten. Bei dem Aussterben der merse-
burger Linie hatte sich Brühl von seinem Herrn die große
Herrschaft Forsta ausgebeten; jetzt, als die weißenfelser Linie
erlosch, ließ er sich das von seinem Vater an dieselbe verkaufte
Stammgut seiner Familie Gangloffssmmern samt einem großen
Theile des Amtes Weißensee schenken und das Ganze zu einer
Baronie erheben. Auch der ausgetrocknete und dadurch von
300 auf 8000 Thaler Ertrag gebroachte See bei Weißensee,
der morgenweise auf Erbzins ausgethan war, wurde dazu als
avulsum geschlagen, die Erbzinsbesitzer aus dem Besitze gewiesen
und ihnen statt der 20000 Thaler, die sie darauf gewendet,
8000 Thaler, aber auch diese nur in Stenerscheinen, die da-
mals kaum den achten Theil werth waren, vergütet ½.
Dies schändliche Verfahren ist nicht der einzige Beweis
der despotischen Willkür, mit welcher Brühl sich über Recht
und Gesetz hinwegsetzte, sobald es sich um Beschaffung der
Mittel zur Befriedigung seiner Habgier handelte. Es ist ein
demüthigendes Geständniß, daß in ganz Sachsen sich niemand fand,
der den Muth gehabt hätte sich dem mächtigen Emporkömmling
im Namen des Rechts und der Chrlichkeit offen und nach-
drücklich zu widersetzen. Schweigend trug das Volk sein Joch.
Die systematisch betriebene Verletzung des Briefgeheimnisses
lieferte binnen acht Wochen nichts Verfängliches als die Worte:
1) Leben und Charakter des Grasen Brühl II, 40 ff.