1750
454 Kurfürst Friedrich August II.
jenem Gutachten der Geheimenräthe ließ Brühl durch den Ge-
sandten v. Vitzthum und den Residenten v. Petzoldt in
Petersburg Sachsens Geneigtheit zum Beitritt zu dem russisch-
österreichischen Vertrage erklären, vorausgesetzt, daß man willens
sei, auf den leipziger Theilungsvertrag zurückzugehn und Sachsen
wegen eines hinreichenden Autheils an der Beute zu versichern.
Er fügte ferner die Bedingung hinzu, daß, wenn einer der
beiden Kaiserhöfe angegriffen würde, Sachsen zur Eröffnung der
Operationen nicht eher gehalten sein solle, als bis der andere
wirklich zu agiren angefangen und dadurch einen Theil der
außerdem auf Sachsen fallenden Übermacht abgezogen habe,
daß ferner Rußland den zwischen Sachsen und Osterreich abzu-
schließenden Vergleich über die Theilung der zu machenden
Eroberungen, über den, hauptsächlich um das Geheimniß besser
zu wahren, beide allein in Wien unterhandeln sollten, zum
voraus garantire 1). Allein bei dem geriungen Ansehen, welches
die sächsische Staatsleitung auswärts genoß, bei der unklaren
Zwitterstellung, in der sich Sachsen befand, indem es einerseits
um nicht die ihm unentbehrlichen Subsidien einzubüßen Frank-
reichs Empfindlichkeit über seine Annäherung an Rußland zu
beschwichtigen hatte, wobei Brühl dreist genug war, die
Existenz geheimer Artikel bei dem petersburger Vertrage ihm
positiv abzulengnen, anderseits der russische Hof zu Sachsens
Aufrichtigkeit wegen dessen geheimen Zusammenhangs mit Frank-
reich und, wie er deshalb irrigerweise argwöhnte, auch mit
Preußen kein rechtes Zutrauen hatte, so fand Brühls Lüstern-
heit nach Eroberungen in Petersburg und Wien keineswegs das
gehoffte Eutgegenkommen; die Verhandlungen rückten nur langsam
vorwärts, geriethen zuletzt ganz ins Stocken und kamen erst
wieder in Fluß, als Osterreich Englands Beitritt zum peters-
burger Tractate zu betreiben anfing, indem letzteres, welches
30. October 1750 dem Tractate, jedoch ohne die geheimen
Artikel, die seinen Interessen fern lagen, beigetreten war, den
Wunsch zu erkennen gab, daß Sachsen seinem Beispiele folgen
1) Iorteberg, Recucil etc. I, 38.