Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Augusts kirchliche Stellung. 4 
Deun ein tieferes religiöses Interesse an dem Streite der 
Theologen, der seine Zeit bewegte, war ihm fremd; keine 
lebendige Begeisterung für sein Bekenntniß hinderte ihn, die 
kirchlichen Verhältnisse jemals anders als von dem Gesichts- 
punkte des politischen Vortheils aus zu betrachten; über jeder 
anderen Rücksicht stand ihm das Streben, Kursachsens Hegemonie 
über das protestantische Deutschland zu behaupten, und sich 
hierin weder von den flacianischen Ernestinern noch von der refor- 
mirten Kurpfalz den Vorrang abgewinnen zu lassen. Die 
Objectivität, mit der ein Friedrich der Weise die Entwicklung 
der Kirche sich selbst ihre Bahn suchen ließ, war längst nicht 
mehr zu finden, fast alle protestantischen Fürsten nahmen in 
den Lehrstreitigkeiten ihrer Kirche sehr entschieden Partei; um 
jedoch ein wirkliches Verständniß von der allmählich zwischen 
Luther und Melaunchthon entstandenen dogmatischen Differenz 
zu gewinnen, dazu war August eine viel zu einseitig praktisch 
angelegte Natur. Obgleich ihm das Eifern der Flacianer ein 
Dorn im Auge war, so war er doch nie auch nur einen 
Augenblick zweifelhaft, daß er an Luthers Auctorität, an die 
er von Jugend auf gewöhnt war, unverbrüchlich festzuhalten 
habe, und darin bestärkte ihn das eifrig theologisirende „Gy- 
näcceum“ an seinem Hofe, die Kurfürstin Anna, ihre ver- 
wittwete Mutter und deren Schwägerin, die Herzogin Elisabeth 
von Mecklenburg, die, wie fast alle evangelische Fürstinnen 
jener Zeiten, eifrige Verehrerinnen Luthers waren. Der Ausruf, 
„wenn er eine calvinische Ader im Leibe habe, möge sie ihm 
der Teufel ausreißen“, kam ihm ganz von Herzen. Daß seine 
Universität Wittenberg, an der die Theologen Paul Eber, 
P. Crell, G. Major und der Arzt Caspar Pencer, Melanch- 
thons Schwiegersohmn und Erbe seiner feinen humanistischen 
Bildung, auch seit dessen Tode mit der Inspection der ganzen 
Universität betraut, in ihres großen Lehrers Geiste fortwirkten, 
diesen Standpunkt nicht theilte, sondern der Auffassung der 
im Werden begriffenen deutsch-reformirten Kirche zuneigte, 
durchschaute er nicht; die Wittenberger aber, und na- 
mentlich der ängstlich schmiegsame Eber, der zwischen 1560
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.