J. Chr. Gottsched. 521
ihren und damit seinen eigenen Einfluß über ganz Deutschland
verbreitete. Durch seine unermüdliche Productivität und aus-
gebreitete journalistische Thätigkeit gelang dieser Plan über
alle Erwartung. Bald sah er sich an der Spitze einer lite-
rarischen Bewegung und mit einer Art literarischer Dictatur
über ganz Deutschland bekleidet, die keineswegs nur seinem
stark ausgeprägten Selbstgefühl schmeichelte, sondern bei der
politischen Zerfahrenheit Deutschlands in dieser Weise kom-
men mußte, wenn anders unsere Literatur der bisherigen
Verwilderung entrissen werden sollte. Wie er dieselbe benutzte,
um die deutsche Literatur durch Anlehnung an die französischen
Muster zu formeller Correctheit zurückzuführen, ist bekannt.
Indem er hierbei, veranlaßt durch seinen Gegensatz zu den
Dichtern der zweiten schlesischen Schule, das Deutsch der ge-
bildeten Klassen des meißner Landes, wo, Dank dem Protestau-
tismus, das allgemeine Niveau der Bildung etwas höher stand
als anderwärts, als Richtschnur aufstellte, vollendete er die von
Luther angebahnte Ausbildung der obersächsischen Mundart zur
allgemeingiltigen deutschen Schriftsprache. Einen ebenso glück-
lichen Griss that er damit, daß er vorzugsweise die Reform
der nationalen Schaubühne ins Auge faßte, nicht nur weil
diese, in die Roheit der Staatsactionen versunken und von den
Höfen durch die Oper und das ausländische Schauspiel ver-
drängt, einer solchen dringend bedurfte, sondern auch weil
Leipzig, vermäge seiner Lage, seiner Messen und seines Wohl-
standes für die nach altherkömmlicher Weise herumziehenden
Schauspielerbanden eine Art von Mittelpunkt bildete, von dem
aus am ehesten eine Umgestaltung derselben möglich war.
Kurz nach der Aufläsung der veltheimschen Truppe hatte
1714 J. C. Haak das sächsische Privilegium erhalten, dazu
später die Erlaubniß, auch acht Tage vor und nach der Messe
in Leipzig zu spielen, die jedoch seiner Wittwe auf die Vor-
stellung des Raths, „daß dadurch dem Volke, insonderheit der
sindirenden Ingend, viel Zeit unnütz zu verderben Gelegenbeit
gegeben werde“, wieder entzogen wurde. Dieser Truppe gehörte
außer dem großen Künstler Fr. Kohlhardt auch Friederike