Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

522 Geistiges Leben unter Friedrich August II. 
Neuberin an, geb. 1697, die ihrem Vater, dem Dr. Weißenborn 
in Reichenbach, entlaufen und mit einem Schüler Johann Neuber 
zur spiegelbergischen Bande nach Weißenfels entflohen war. 
Diese beiden erhielten 1727 nach Zerrüttung der Haakschen 
Gesellschaft deren Privilegium als sächsische Hofcomödianten. 
An der Neuberin, der eigentlichen künstlerischen Seele des Un- 
ternehmens, die bessere Zucht und Sitte bei ihrer Bande ein- 
zuführen und die tüchtigsten Kräfte für dieselbe zu gewinnen 
verstand, fand Gottsched eine empfängliche Gehilfin für die Ver- 
wirklichung seiner reformatorischen Ideen. Auf seine Veran- 
lassung und durch seine Auctorität gestützt wagte sie es dem 
rohen Volksschauspiel und dem Stegreifspiel zu entsagen und 
dem Publikum Stücke in dem verfeinerten Geschmacke der Frau- 
zosen zu bieten. Sogar der Hof bethätigte seine Iuteresse an 
dem kühnen Versuche durch Darleihung der Costüme aus der 
Hosgarderobe zu der ersten Vorstellung eines Trauerspiels im 
höhern Stil, des Negulus von Pradon, dem nnn Gottsched 
eine große Menge weiterer Bearbeitungen und 1731 seinen 
sterbenden Cato folgen ließ, so daß ein reichhaltiges Repertoire 
die alten Volksstücke entbehrlich machte, die nun durch einen 
förmlichen, feierlichen Act, die Verbrennung des Harlekins, Oc- 
tober 1737 für immer von der gereinigten Bühne verbannt 
wurde. Von jenem Bündniß Gottscheds mit der Neuberin 
datirt die neue Aera des deutschen Theaters. In Leipzig hatte 
die neubersche Truppe gewissermaßen ihr Standquartier, zeit- 
weise spielte sie auch in Dresden und anderwärts, wohin sie 
aber auch kam, überall erschien sie als Prophetin des neuen, 
von Leipzig aus verkündeten Geschmacks. Gottscheds lebhafter 
Wunsch, die Gunst der Regierung für seine Bestrebungen zu 
gewinnen, schien sich der Erfüllung zu nähern, als der König 
sich geneigt zeigte die neubersche Truppe, die im December 1737 
zu Hubertusburg vor ihm gespielt hatte, in seine Dienste zu 
nehmen; allein sie zerrann rasch wieder, theils weil die ganze 
am Hefe herrschende Strömung Gottscheds Iveen entgegenlief, 
theils weil ihm der Hofpoet v. König, früher selbst Gottscheds 
Fürsprecher bei dessen Bewerbung um eine Professur, jetzt er-
	        
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