Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

528 Geistiges Leben unter Friedrich August II. 
sals hervorgehoben worden, daß es die Geisel der Satire ge- 
rade einem Manne in die Hand gab, der als Steuerbeamter 
in demjenigen Fache von Brühl abhängig war, wo dieser am 
schamlosesten wirthschaftete. Wenn daher auch die Objerte, auf 
die Rabener seine stumpfen Pfeile abschoß, stets nur äußerst ge- 
ringfügige sind, so bezeichnen seine Angriffe doch das Kußerste, 
was der Bürgerstand sich damals überhaupt unterstand, und 
wenn der andere Satiriker jener Zeit, der auf v. Heineckens 
Empfehlung 1741 als Secretär in Brühls, dann in königlichen 
Dienst gekommene und 1745 zum Kriegsrath ernannte Liscov 
im Jahre 1749 seine Stelle wieder verlor, so lag die Ursache 
davon keineswegs in der Schärfe seiner Feder, sondern in der 
Beschuldigung, an einem Plane zu Brühls Sturze Theil ge- 
nommen zu haben, und der kriechend demüthige Brief, in wel- 
chem er dessen Gnade anfleht und seine Rene betheuert, ist 
Beweises genug, wie wenig er zum strafenden Sittenprediger 
berufen war 1). Um wie viel würdiger erscheint im Vergleich 
zu ihm Gellert, wenn er, obgleich mit seiner Devotion vor 
allen Vornehmen und Hochgestellten ein ächtes Kind seiner 
Zeit, in seinen Fabeln und Erzählungen mit ihren moralischen 
Nutzanwendungen milde und doch freimüthig die Verkehrt- 
heiten des Zeitalters züchtigt und zu bekehren sucht! 
In demselben Maße nun, in welchem die literarischen In- 
teressen in den Vordergrund traten, verdrängten sie zugleich 
die frühere Alleinherrschaft der theologischen. Weder die philo- 
sophische Richtung, die das Zeitalter eingeschlagen, noch der in 
Gellerts Liedern athmende Geist, der das Wesen der Religion 
nicht in Fixirung dogmatischer Subtilitäten, sondern in die 
Frömmigkeit des Herzens und in Erfüllung der Pflicht setzt, 
vertrugen sich mit der Verfolgungssucht der früheren Zeit. Ent- 
sprechend der milder gewordenen Auffassung wurde 1756 die 
offentliche Kirchenbuße abgeschafft; selbst die dresdner Juden- 
schaft, die ihre Leichen zeither hatte nach Teplitz schaffen müssen, 
1) Helbig, Chr. L. Liscov. Nach Liscovs Papieren in k. sächs. 
Staatsarchiv (1844).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.