566 Kurfürst Friedrich August III.
2. Kursachsen unter Friedrich August Ul. bis zum Beginn des Kriegs
gegen das revolntionäre Frankreich, 1768—1792.
Der junge Fürst, der jetzt die verwirrten Zügel der Re-
gierung selbst in die Hand nahm, war zu einer Zeit (13. De-
cember 1750) ins Leben getreten, die für Sachsen äußerlich
reich und glänzend, innerlich aber kaum anders als furchtbar
zu nennen war. Dem äußeren Glanze entsprach die noch am
Tage der Geburt durch den päbstlichen Nuntius vollzogene
Taufe, bei welcher drei Kaiserinnen, ein Kaiser und drei Könige
als Pathen genannt wurden 1). Aber es war zugleich die Zeit
der unseligen brühlschen Premierministerschaft, der Vorbereitungen
zum siebenjährigen, der Nachwehen des österreichischen Erbfolge-
krieges und der seit 1697 verfehlten politischen und kirchlichen
Stellung des sächsischen Regentenhauses. Es zeugt für die
gesunde Natur des Kurfürsten, daß die Vernachlässigung seiner
frühesten Erziehung ohne nachtheiligere Folgen für ihn blieb;
selbst der körperlichen Eutwickelung des Knaben hätten die Be-
denklichkeiten der Etikette, sowie ängstliche Verzärtlung verderblich
werden können, wäre nicht ein junger Italiener, der ihm früh-
zeitig als Page und Gesellschafter zugegebene Graf Camillo
Marcolini (geb. 1739 zu Fano im Kirchenstaate, st. 1814 zu
Prag) sein Arzt und Retter aus dieser Gefahr geworden, in-
dem er den Prinzen zum fleißigen Genusse der freien Luft und
später zum Vergnügen der Jagd antrieb ?). Bis zum zwölften
1) Herrmann, Friedrich August, König von Sachsen (1827),
S. 17.
2) Als Friedrich August in Friedrichsselde Marcolini's Tod erfuhr,
äußerte er: „Wohl oft geung mag ich wegen meiner Auhänglichkeit an
Marcolini getadelt worden sein, aber man hat es nicht gewußt und nicht
bedacht, wie viel ich diesem Manne schuldig war. Er war ja mein ein-
ziger Vertranter in meiner Jugend und blieb mir bis ins höhere Alter
stets treu ergeben; ja er hat mir gleichsam erst das Gehen gelehrt, denn
ich war in meiner Jugend so verwöhnt und vernachlässigt worden, daß
ich mich z. E. nicht getraute eine Anhöhe auf= und abzusteigen. Wie
oft hat mich da Marcolini angeleitet und mir Vertrauen auf eigene Kraft
eingeflößt.“ Mittheilungen aus dem Leben und Wirken des Königs
Friedrich August des Gercchten (1829), S. 23.