Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Des Kurfürsten Erziehung. 557 
Jahre war sein Erzieher der zu diesem Amte in keiner Weise 
befähigte Baron v. Wessenberg, an dessen Stelle dann der 
Abbe Victor, ein Piemontese, trat; nach der Entlassung dieses 
intriguanten und selbst sittlich anrüchigen Mannes wurde er 
von seiner Mutter und seinem Vormund 1764 der Aussicht 
zugleich eines Katholiken, des Kammerherrn v. Stäcken, nach 
dessen Tode v. Schmerzing eintrat, und eines Protestanten, 
des Hof= und Justitienraths Ch. G. v. Burgsdorf übergeben, 
zu seinem Obersthofmeister und Gouverneur der aus der Schweiz 
gebürtige Malthesercomthur Baron v. Forell, Geheimerrath 
und Hauptmann der Schweizergarde (st. 1786) ernannt. Das 
meiste Verdienst um die Ausbildung seines Geistes und Herzens 
erwarb sich der 1763 als sein Lehrer in den Rechts= und 
Staatswissenschaften berufene damalige Bürgermeister von Leipzig, 
Hof= und Justitienrath Ch. G. Gutschmid, ein Predigerssohn 
aus Köhren bei Cottbus, dem später das Zutrauen seines 
ehemaligen Zöglings, den Zugang zu den hüchsten Staatsämtern 
erschloß 1). Außer Fertigkeit in der lateinischen, französischen, 
polnischen und italienischen Sprache entwickelte der Prinz be- 
sondere Neigung für die Musik, die ihm selbst in ihrem theo- 
retischen Theile nicht fremd blieb, und für Botanik, die die 
Lieblingsbeschäftigung seiner Musestunden wurde 7). Erst seit 
ihres Gatten Tode wachte die Kurfürstin mit größerer Sorg- 
falt über die Erziehung ihrer Kinder, ihr Bestreben, ihnen eine 
von aller Bigotterie und Intoleranz freie Gottesfurcht einzu- 
prägen, zog ihr dabei von Seiten ihrer eigenen Glaubensgenossen, 
vielleicht nicht ohne Zuthun dos über seine Entlassung erbitterten 
Abbé Victor den Verdacht zu, als ob sie nicht bloß die Inter- 
essen der katholischen Kirche vernachlässige, sondern wohl gar 
den jungen Kurfürsten zum Protestantismus zurückzuführen 
1) 1763 war er dem Geheimenrath Fritzsch bei den hubertusburger 
Friedeusverhandlungen als Archivar beigegeben. Siehe Uber ihn Teller 
in Woltmanns Zeitschrift 1801, S. 1 ff. 
2) Über das große auf seine Kosien und unter seinen Angen aus 
geführte botanische Kunstwerk Plantac selectae horti regii Pillniziensis, 
gegen 700 Blätter, s. Pölitz, Friedrich August I, 47.
	        
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