Exegesis perspicua. 49
sich auch durch seine barsche Freimüthigkeit, besonders aber durch
die Umgestaltung der Rechtsverfassung zahlreiche Feinde gemacht
hatte 1). Listenius faßte neuen Muth, er trat seinem Collegen
Schütz viel zuversichtlicher entgegen als bisher. Auch der Kur-
fürst war verändert; bei einem Besuche, den Pfalzgraf Johann
Kasimir 1573 mit seiner Gemahlin und deren Hofprediger
Hofmann den Schwiegereltern abstattete, forschten diese den
letzteren über den angeblichen heimlichen Verstand der sächsischen
Theologen mit den ausländischen aus.
Den erwünschten Vorwand zum Losbrechen gab im Früh-
jahr 1574 das Erscheinen der anonymen Eregesis perspicua,
eines Buches, welches zwar auch nur die Lehre des Corpus
Ndoctrinno, aber mit so scharfer Hervorhebung der Controverse
zwischen Philippisten und Ubiquisten enthielt, daß dadurch die
unbedingte Verwandtschaft jener mit den Heidelbergern offen
zu Tage lag. Olgleich es sich, freilich ungeschickt genug, seinem
Kußeren nach als in Genf entstanden ankündigte, erscholl sofort
die Beschuldigung, daß es aus Wittenberg stamme; von Däne-
mark, von Stuttgart liefen Mahnungen an August ein, Fürst
Georg Ernst von Heuneberg machte sich trotz seines Alters in
Person nach Dresden auf, um ihn über das geheime Treiben
seiner calvinistischen Theologen, die es auf völlige Verdrängung
der Lehre Luthers abgesehen hätten, aufzuklären. Aber die un-
verzüglich angestellte Untersuchung hatte nicht das gehoffte Ergebniß.
Die Wittenberger leugneten jede Beziehung zur Exegesis, und
dies fand durch die Ermittelung des Herausgebers derselben
in der Person des leipziger Buchdruckers Vögelin, der den
schlesischen Arzt Joachim Curäus 2) als Verfasser nannte, seine
Bestätigung. Auch das von Craco eingeforderte Bekenntniß
wurde „klar, unverfälscht, rein und gut" befunden.
Aber der einmal gegen die Philippisten unternommene An-
griff war damit nicht abgeschlagen. Bei der Nachforschung nach
der Eregesis war man auf Schriften gestoßen, welche, mit
1) Cracos Leben in: Sammlung verm. Nachr. z. sächs. Gesch. VIII, 41.
2) Daß dieser wirklich der Autor ist, weist Heppe a. a. O. 1I,
S. 467 ff. nach.
Böttiger, Geschichte Sachsens. 2. Ausl. II. 4