Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

606 Kurfürst Friedrich August III. 
höhere Instanz zu gehen fehlte es dem Bauer an Geld, Zeit 
oder Muth. So geschah es denn, daß in Nachäffung der liber- 
holung Ludwigs XVI. von Versailles nach Paris die Bewohner 
des Städtchens Lauenstein im Juli 1790 die schriftliche Auf- 
forderung erhielten, sich den demnächst zu erwartenden ge- 
waffneten Massen anzuschließen, welche mit fliegenden Fahnen 
und klingendem Spiele nach Pillnitz ziehen, den Kurfürsten nach 
Dresden führen und ihm folgende Punkte vorlegen würden: 
Absetzung aller derer, die Sachsen bisher unglücklich gemacht 
hätten; Errichtung einer Nationalgarde, Veränderung des Accis- 
wesens, Beschränkung der Rittergutsbesitzer, „damit sie Sachsen 
nicht zu einer Wüste und Einöde der Gerechtigkeit machten“, 
Aufhebung des Wildhegens, Abschaffung aller Juris Practiei, 
die nicht wirkliche Gerichtsbestallung hätten, Verfassungsregeln 
für das geistliche Ministerium, endlich Veränderungen mit der 
Fleisch= und Tranksteuer. Der liberbringer dieser Artikel wurde 
alsbald ermittelt; da aber der Arzt ihn für einen überspannten 
Menschen erklärte, der in einer fixen Idee gehandelt habe, so 
wurde er als Irrer nach Torgau in Verwahrung gebracht und 
die Sache hatte keine weiteren Folgen. 
Allein unabhängig von diesem Vorfall brachen einen Monat 
später in vielen Gemeinden der nossener und lommatzsscher Ge- 
gend und namentlich auf den Gütern des Hof= und Justitien- 
raths v. Zehmen wirkliche Unruhen aus, zunächst dadurch 
veranlaßt, daß in dem damaligen dürren Sommer und bei 
dem dadurch herbeigeführten Futtermangel die Gutsbesitzer ihr 
Triftrecht über der Bauern Felder übten, von denen diese nun 
das eigene Vieh nicht mehr ernähren konnten. Nicht gegen 
den Kurfürsten, der von dem bidherigen Drucke gar nichts 
wisse, sondern gegen die Gutsbesitzer richtete sich die Erbitterung 
der Bauern. Da ihnen vorgespiegelt worden war, das dem 
Adel auf 300 Jahre ertheilte Privilegium, auf welches sich die 
gutsherrlichen Abgaben gründeten, sei schon seit 60 Jahren 
abgelaufen, so kündigten sie dem Gutsherrn die Frohnden auf, 
trieben sein Vieh von ihren Feldern, ließen sich früher em- 
pfangene Schläge und Schimpfworte mit Geld vergüten, wider-
	        
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