Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

50 Sturz der Philippisten. 
aufgefangenen Briefen zusammengehalten, dem Kurfürsten den 
unwiderleglichen Beweis lieferten, daß unter seinen vertrautesten 
Dienern in der That eine geheime Conspiration bestand, zu 
dem Zwecke, ihn und seine Gemahlin für ihr Bekenntniß zu- 
gewinnen und diesem dadurch zur Alleinherrschaft zu verhelfen ½). 
Aufs heftigste erzürnt über den Mißbrauch des Vertrauens und 
die gegen ihn geübte Täuschung, ließ der Kurfürst, April 1574, 
Peucer, dann den Leibarzt Herrmann, Stößel, Schütz, zuletzt 
auch Craco verhaften. Was aber die Erbitterung des Herr- 
scherpaares aufs höchste brachte, waren die in den mit Beschlag 
belegten Papieren der Gefangenen sich findenden wenig schmeichel- 
haften Anspielungen auf ihre Person, namentlich auf das Gy- 
näceum, die Gynäkokratie am Hofe. Von nun an kannte die 
Härte und Grausamkeit, mit der sie August traf, keine Grenzen. 
Voll Verdruß über die Milde, welche der nach Torgau berufene 
Ausschuß der Stände bei Beurtheilung der Sache zeigte, und nicht 
zufrieden damit, die Gestürzten unschädlich zu machen, ließ er 
sich von seinem Hasse zu dem rechtlosesten und willkürlichsten 
Verfahren gegen sie hinreißen. Ihre Verfolgung wegen beabsich- 
tigter Einschwärzung calvinistischer Lehre artete in einen Act 
persönlicher Rache aus. Stößel starb 1576 im Gefängniß, 
Schütz sah erst nach 12 Jahren die Freiheit wieder; zum 
deutlichen Beweise aber der bei dem ganzen Vorgange mit- 
wirkenden Hofeabale traf gerade die Nichttheologen, Craco 
und Pencer, das härteste Loos. Obgleich jener, der Messias 
der Schuldigen, wie August ihn nannte, sich schließlich dazu 
verstand, die ihm abverlangte Obligation zu unterschreiben, 
wurde er am 15. Juli von seinem Gute Schönfeld auf die 
Pleißenburg gebracht und die Untersuchung wider ihn in die 
Hände seines ärgsten Feindes, des leipziger Bürgermeisters 
Hieronymus Nauscher, gelegt ). Der Schloßhauptmann 
1) Percer z. B. schrieb an Stößel: „Hätten wir Mutter Annen 
erst, so solt es nicht noth haben, den Herrn wolten wir auch bald kriegen.“ 
Gillet I, 450. 
2) Rauscher war eines der durch Cracos Refonn bescitigten unge- 
lehrten Mitglieder des leipziger Schöppenstuhls; sofort nach Cracos Sturze 
erwirkie er die Cutfernung aller Doctoren aus dem Nathsstuhle.
	        
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