Reichsdeputationshauptschluß. 617
neuer furchtbarer Erschütterungen. Zu je größeren Bedenklich-
keiten aber ein Rückblick auf die Ereignisse der letzten Jahre
aufforderte, je peinlicher sich namentlich in Berlin das Gefühl
der bedrohlichen Lage geltend machte, in welche Preußen seit dem
baseler Frieden gerathen war, desto näher mußte dort der Ge-
danke liegen, ob nicht durch einen Anschluß der kleineren
deutschen Stände, zunächst wenigstens der norddeutschen Mittel-
staaten au Preußen nach Art des Fürstenbundes von 1785
aus der gegenwärtigen Isolirung herauszukommen und der
gebieterischen Einmischung Frankreichs und Rußlands in die
inneren Verhältnisse Deutschlands eine Schranke zu ziehen sei.
Herzog Karl August von Weimar, einer der wenigen deutschen
Fürsten, bei denen damals patriotischer Sinn zu finden war,
und ein eifriger Freund der preußischen Unionsideen, wurde
von Berlin aus ersucht, unter der Hand persöulich den Kur-
fürsten von Sachsen wegen dessen Geneigtheit zu einem engeren
Bündnisse mit Preußen zu sondiren. So unreif noch das
ganze Project und so gerechtfertigt des Herzogs Mißtrauen
gegen die Zuverlässigkeit der preußischen Politik erschien, so
unterzog er sich doch bereitwillig diesem Auftrage, da er den
Kurfürsten von Sachsen für ganz besonders gceignet hielt, um
eine engere Verbindung zwischen Osterreich und Preußen, in
der er die einzige Schutzwehr gegen die französischen Ubergriffe
erkannte, anzubahnen. Obgleich er aber gerade hiermit bei
den preußischen Staatsmännern keinen Anklang fand, da diese,
ängstlich wie sie waren, nur den Anschluß der norddeutschen
Fürsten ohne Einmischung Osterreichs wünschten, so machte er
sich trotzddem, im April, zum liberbringer der preußischen An-
träge nach Dresden, erhielt jedoch vom Kurfürsten eine aus-
weichende Antwort. „Nach seinem Dafürhalten“, äußerte der-
selbe u. a., „hege der erste Consul keine feindseligen Absichten
gegen das Reich; Preußen werde jedenfalls wissen, wessen es
sich von demselben zu versehen habe; in Sachsen würden die
Franzosen im Falle einer Invasion wohl nicht den Anfang
machen; Voranstalten zu einer Vertheidigung zu treffen, möchte
großen Schwierigkeiten und Gefahren ausgesetzt sein.“ Dieser