Cracos und Pencers Kerkerhaft. 51
Nichter wurde, weil er den Gefangenen menschlich behondelte,
schimpflich entsetzt; kagweise bei Wasser und Brod, ohne Schreib-
materialien, in Elend und Unrath verkam der kranke Greis,
4 Stunden lag er auf der Folter, ohne Geständniß; ob er
sich wohl dabei erinnerte, wie er einst bei Brücks Todesqualen
ungerührt gestandeno? Am 17. März 1575 entriß der Tod
ihn den Händen seiner Peiniger. Länger konnten diese ihres
traurigen Amtes an Pencer warten, der, da er durchaus nichts
über die ihm angedichteten geheimen Praktiken mit Kurpfalz
zu gestehen hatte, ebenfalls in die Pleißenburg wandern mußte.
Nichts vermochte über die persönliche Erbitterung des Kur-
fürsten die mit Rücksicht auf die Universität, deren Hauptzierde
der Gefangene war, eingelegte Fürbitte der Stände, nichts
selbst die Bitte des Kaisers, ihm denselben für seinen Dieunst
zu überlassen: „er könne ihn nicht entbehren“, antwortete
August, „er wolle ihn zur Bekehrung zwingen"“; „das maße
ich mir nicht an“, sprach Maximilian, „über die Gewissen habe
ich keine Macht“ 1))] Selbst das Abendmahl wurde ihm ver-
weigert, da er seinen Irrthum über die Sacramentslehre nicht
eingestehen wollte. Aber keinen Angenblick verleugnete er seine
Standhaftigkeit in dem Kerker, dessen Thür ihm verschlossen
blieb, so lange Anna lebte. Erst bei Augusts zweiter Ver-
mählung schlug ihm auf Fürbitte der jugendlichen Brant die
Stunde der Befreiung, aber er wandte sich vom Lande seines
Glücks und Unglücks hinweg nach Dessau, wo er 1602 starb #.
Die meisten übrigen Philippisten hatten inzwischen die von
fünfzehn Theologen ausgearbeiteten torgauer Artikel, welche sich als
ein Zeugniß für die wahre Lehre Luthers, Melauchthons, der
augsburger Confession und des Corpus doctrinae ankündigten,
unterschrieben, obgleich diese mit ihrer Vermengung und Ver-
1) Peucer, Historia carcerum, Tigurini 1605, p. 256 sq. 286 sq.
307. 360 sq.
2) Außer den bercils angesührten Werken von Heppe und Gillet
s. Calinich, Kampf und Untergang des Melanchthonismus in Kursachsen
1570—74 (1866), zu dessen zwar actenmäßiger aber nicht ganz genügen-
der Darslellung zu vergleichen ist Kluckhohn, Der Sturz der Kryptocalvi-
nisten in Sachsen 1574 in v. Sybel, Hist. Zeitschr. XVIII (1867), S. 77 ff.
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