Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Auflsung des Reichs. 621 
Kurfürst Friedrich August war vor der Hand sehr froh, 
durch Preußens Schwenkung dem nördlichen Deutschland den 
Frieden erhalten zu sehen, wie umgekehrt auch Preußen von 
Sachsens bisherigem Verhalten sich vollkommen befriedigt 
fühlte. Aber nur zu bald stellte es sich heraus, daß die Zer- 
rüttung der Reichsverfassung, die einmal begonnen, unaufhaltsam 
dem Ende zueilte, auch Sachsen die Möglichkeit raubte, länger 
in seiner bisherigen Zurückgezogenheit zu verharren. Die die 
factische Auflösung des Reichs bereits in sich schließende Er- 
hebung Baierns, Würtembergs und Badens zu souverainen 
Staaten berührte Sachsen in viel empfindlicherer Weise als 
irgend einen anderen deutschen Staat. Denn während die 
beiden deutschen Großmächte schon seit langem sich nur noch 
in einem willkürlichen Zusammenhange mit dem Reiche hielten, 
die südwestlichen Stände durch Buhlen um die Gunst Frank- 
reichs Befriedigung für ihre Vergrößerungs= und Sourveraini- 
tätsgelüste zu suchen gewohnt waren, hatte Sachsen sich stets 
unverrückt auf dem Standpunkte des positiven Reichsrechtes 
behauptet; das Reich, wenn auch nur noch ein Name, war 
die Schanze gewesen, hinter die es sich zurückzog, um jede un- 
bequeme Zumuthung, von welcher Seite sie auch kommen 
mochte, abzuwehren. Nic hatte der Kurfürst etwas anderes 
zu sein verlangt, als Reichsstand. Daher erfüllte die Be- 
trachtung, daß die neuen Könige und ihre Nachfolger nun 
voraussichtlich ihre Kronen in Paris aus den Händen des 
Kaisers von Frankreich als ein Zeichen der Abhängigkeit und 
Vasallenschaft empfangen würden, in Dresden nicht bloß mit 
reichspatriotischem Schmerze, sondern es lag darin zugleich eine 
directe Beeinträchtigung Sachsens, dessen Kurfürst stolz war, 
im Kurcollegium die erste Stelle einzunehmen. Sollte er nun 
etwa dem kleinen Würtemberg im Range nachstehen? Er- 
klärlicherweise wurden daher alsbald am Hofe, im Kabinet 
und im Volke zahlreiche Stimmen laut, der Kurfürst solle 
ebenfalls den Königstitel aunehmen; das ossenkundige Streben 
des Kurfürsten von Hessen nach derselben Auszeichnung, der 
kleineren Fürsten nach entsprechender Rangerhöhung schien einen
	        
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