Norddeutscher Bunb von 1806. 820
das Schicksal der kleinen Stände im Bereiche des Rheinbunds,
sich Rath und Schutz suchend nach Dresden gewendet hatten,
so sei, führt das Gutachten weiter aus, inmittelst allerdings
anzurathen, daß man das von den ernestinischen Häusern dem
Kurfürsten bewiesene Vertrauen dazu benutze, um sie durch die
von ihnen selbst gewünschte engere Verbindung ganz an sich zu
ziehen, auch diese Verbindung durch andere mit Kursachsen in
näherer Verbindung stehende Stände, z. B. die Schwarzburg
und Neuß, zu verstärken in der Absicht, den vereinigten Häusern
mehrere Selbständigkeit und innere Sicherheit zu geben und
eine unauflösliche Verbindung unter ihnen dergestalt zu knüpfen,
daß sie in gewisser Rücksicht Ein Ganzes ausmachten und in
ihrem festen Zusammenhalten und in der wechselseitigen Unter-
stützung gegen äußere Beeinträchtigung ein gemeinschaftliches
Interesse hätten.“ Ein Hauptgrund, weshalb man das neue
Bündniß auf der Erbeinigung von 1614 aufgerichtet wissen
wollte, lag darin, daß man dadurch der Garantie Hannovers-
für Preußen ausweichen wollte, die man in keinem Falle zu
übernehmen entschlossen war. Die in diesem Gnutachten nieder-
gelegten Anschauungen sind die Richtschnur der sächsischen Po-
litik in den ganzen weiteren Verhandlungen über den nord-
deutschen Bund geblieben.
Es wäre ungerecht ihr daraus einen andern Vorwurf
als den der Kurzsichtigkeit zu machen oder wohl gar die allge-
meine Schuld jener Zeit, an der alle deutschen Stämme und
Staaten, jeder in seiner Weise, gleichen Theil hatten, auf das
einzige Sachsen wälzen zu wollen. Freilich reichte der Horizont
der sächsischen Staatsmänner nicht über ihre nächste Umgebung
hinaus, ihr Standpunkt war der der specifisch sächsischen Inter-
essen; in die Verhältnisse und Combinationen der großen Politik,
wo die Machtfragen eine größere Rolle spielen als die Rechts-
fragen, vermochten sie sich nicht zu sinden; deutsch-patriotisches
Gemeingefühl aber war für sie so wenig die bewegende Trieb-
feder wie für irgend einen anderen deutschen Staatsmann jener
Zeit, sondern in dem Chaos des allgemeinen Schiffbruchs
klammerten sie sich nur, um nicht unterzusinken, an die herum-