Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

54 Folgen der Concordienformel. 
der Zerfleischung ihres eigenen Körpers arbeitete. Manche 
unter den evangelischen Fürsten, die einst in freudiger Hingabe 
bereit gewesen waren, für ihre außerdeutschen Glaubensbrüder 
mit Gut und Blut einzustehen, lebten noch lange genug, um zu 
sehen, wie jetzt die orthodoxen Lutheraner das Hinschlachten der 
Calvinisten als ein gottgefälliges Werk priesen. Aber die Ver- 
geltung säumte nicht über den seines Ursprungs und seiner 
Geschichte vergessenen Protestantismus zu kommen. Zu der- 
selben Zeit, wo der Melauchthonismus seinen Untergang fand, 
erhob sich auch, von der jesnitischen Propaganda geleitet, die 
römische Hierarchie mit verjüngter Kraft zum Kampfe gegen 
den Protestantismus, und was jetzt die Lutheraner gegen die 
Philippisten verübten, das sollte nur zu bald die ganze pro- 
testantische Kirche von den Katholiken zu erleiden haben. Die 
neu aufgerichtete lutherische Orthodoxie aber stand dem alten 
römischen Kirchenthume im Princip viel zu nahe, als daß sie 
jemals zum starken Bollwerk evangelischer Glaubensfreiheit 
gegen römischen Gewissenszwang hätte werden können. Das 
ganze jammervolle Schicksal Deutschlands und der evangelischen 
Kirche während des 17. Jahrhunderts wurzelt in jenen be- 
klagenswerthen Vorgängen, durch welche, und zwar nicht ohne 
eigene schwere Schuld der Unterliegenden, in den Jahren 1573 
bis 1577 die lebensvolle Entwickelung des Protestantismus in 
der sächsischen Landeskirche für lange Zeit ertödtet wurde. Kur- 
fürst August aber hatte damit sich und seine Nachfolger auf jene 
abschüssige Bahn gedrängt, die sie durch die Bundesgenossen- 
schaft mit dem Katholicismus hindurch in den Schooß der 
katholischen Kirche hinüberleitete und die hohe politische Stel- 
lung, die einst Sachsen besessen, au Brandenburg überant- 
wortete. In den kur= und herzoglich -sächsischen Landen unter- 
schrieben mit wenigen Ausnahmen alle Geistliche und Lehrer, 
gewarnt durch das Schicksal der Wittenberger, wenn auch viele 
mit schwerem Herzen und nach ktlichen schüchternen Ein- 
wendungen das „Ssächsische Blutbuch“ 1). Doch handvelte es 
1) Zu den Unterschreibenden gehörte auch der zschopauer Pfarrer 
Valentin Weigel (geb. 1533 zu Großenhain, starb 1588), ein Vorgänger
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.