Friedensunterhandlungen zu Berlin 1806. 60
einzige Mittel zu ergreifen, welches den dünnen Faden der
Unterhandlungen vor gänzlichem Zerreißen schützen könne. Der
Kurfürst lehnte nicht ab, aber er wartete auf eine Einladung
des Kaisers und hätte den Besuch am liebsten bis nach Ab-
schluß des Friedens verschoben. Da ermannte sich Bose zu
einem herzhaften Schritt: er kündigte Talleyrand den bevor-
stehenden Besuch seines Gebieters an. So mußte sich dieser
also doch entschließen in Marcolinl's Begleitung 26. November
die Reise anzutreten; sie wurde aber Dank der in den sächsischen
Kreisen herrschenden Schwerfälligkeit und trotz der Vorstellungen
des Majors Funck, daß sie sich in Tag und Nacht beendigen
lasse, durch Nachtquartiere unterbrochen so langsam zurückgelegt,
daß der Kurfürst erst in Berlin ankam, als der Kaiser bereits
nach Posen abgereist war. Zum Glück fand sich auf Ersuchen
des Herzogs von Weimar und des patriotischen Kammerraths
Frege aus Leipzig, die in Berlin anwesend waren, der nassauische
Diplomat v. Gagern bereit, die Unterhandlungen durch Durand
wieder anzuknüpfen 1). Graf Bose reiste dem Kaiser nach Posen
nach und unterzeichnete hier mit dem Großmarschall Duroc
am 11. December den Frieden zwischen Frankreich und Sachsen,
ohne daß es ihm gelungen war die französischen Forderungen
in irgend einem wesentlichen Punkte zu modificiren ?).
In Folge desselben trat der Kurfürst dem Rheinbunde
bei, nahm den königlichen Titel an mit dem Range nach Wür-
temberg in dem Collegium der Bundesversammlung und ver-
sprach, mit Beziehung auf Osterreich, den Truppen keiner
Macht, die nicht zum Rheinbunde gehörte, ohne dessen vor-
gängige Einwilligung den Durchzug durch seine Staaten zu ge-
statten. Eine tief in die inneren Verhältnisse eingreifende und
in den berliner Verhandlungen gar nicht zur Sprache gekommene
Bestimmung enthielt der V. Artikel, welcher die bürgerliche
und politische Gleichstellung der Katholiken mit den Lutheranern
1) v. Gagern, Mein Antheil an der Politik 1I (1823), S. 158 ff.
2) Der Friede bei Martens, Recucil, Suppl. IV, 384 sd.
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