60 Melchior v. Ossa. Augusts Räthe.
moderne Staats= und Volkswirthschaft theoretisch aufzufassen
und darzustellen, aber einem hächst unvollkommenen; es ist dies
Melchiors von Ossa sogenanntes „Testament gegen Herzog
Angusto, Kurfürsten zu Sachsen“ 1), von August um seine
Ansicht angegangen, „wie eine gottselige, starke, rechtmäßige,
unparteiische Justiz in den Landen erhalten, die Mißbräuche
abgeschafft und die Verzogerung der Sachen beseitigt werden
mchte, schrieb er, der nacheinander vier sächsischen Fürsten treu
gedient hatte, dasselbe seine Aufgabe weiter fassend in ähnlicher
Weise, wie später Seckendorf seinen „Fürstenstaat“ für Herzog
Ernst von Gotha verfaßte. Noch ganz beherrscht von der
theologischen Auffassung seines Zeitalters, giebt er darin neben
allgemeinen politischen Theoremen moralisirende Warnungen
und Tugendvorschriften, neben praktischen Anweisungen zur Re-
gierungskunst und Vorschlägen zu Abstellung der vorhandenen
Mängel fromme Lebensregeln und überhaupt mehr eine Pflichten-
lehre des Fürsten als ein System der Lehre vom Staate.
Wem Ossa unter anderen Forderungen an den Fürsten
auch die stellt, daß er seine Räthe wohl wähle und die
Gelegenheit seines Landes erkunde, damit er nicht allweg
mit fremden Augen sehe, so ist August derselben schon aus
eigenem Antriebe in vollem Maße nachgekommen. Er pflegte
wohl zu sagen, der Rath des Fürsten habe zwei Pflich-
ten, mit der einen sei er dem Fürsien, mit der andern
dem Staate verbunden, und man müsse die Dienst' und
Amter mit Leuten, aber nicht die Leute mit Diensten und
Amtern versehen; er besaß nicht nur in einem Franz von
Arnim, Thumshirn, Hartm. Pistoris, Hans von Ponikau,
Einsiedel, Kiesewetter, Dav. Pfeisser, Komerstädt u. a. treff-
liche Werkzeuge zur Durchführung seiner Absichten in den ein-
zelnen Fächern der Verwaltung, soudern erwarb sich auch durch
eigene unermüdliche und bis ins Einzelne gehende Theilnahme
an den Regierungsgeschäften, sowie durch oft wiederholte und
1) von Thomasius mit Noten und Anhang von einem Versuche
kleiner Annalium 1717 herausgegeben; im Auszug bei v. Langenn,
Doctor Melchior von Ossa (1858), S. 161 ff.