310 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
geerbte Autorität zwecklos verpusft wurde, ohne daß Preußen
einen andern Vortheil von dieser Kraftleistung gehabt hätte
als den einer befriedigten Eitelkeit über Bethätigung seiner
großmächtlichen Stellung den beiden Kaisermächten gegenüber,
show of power ½.
Wenn Oestreich und Rußland im Orient Beschäftigung
fanden, so hätte es, möchte ich glauben, im Interesse ihres da-
mals weniger mächtigen Nachbarn gelegen, sie darin nicht zu
stören, sondern beide in der Richtung ihrer orientalischen Be-
strebungen eher zu fördern und zu befestigen und ihren Druck
auf unfre Grenzen dadurch abzuschwächen. Preußen war nach
seinen militärischen Einrichtungen damals schneller schlagfertig
als seine Nachbarn und hätte diese Schlagfertigkeit wie bei
manchen spätern Gelegenheiten nutzbar machen können, wenn
es sich verfrühter Parteinahme enthalten und seiner damaligen
verhältnißmäßigen Schwäche entsprechend sich lieber en vedette
gestellt hätte, anstatt sich das prestige des Richteramtes zwischen
Oestreich, Rußland und der Pforte beizulegen.
Der Fehler in Situationen der Art hat gewöhnlich in der
Ziellosigkeit und Unentschlossenheit gelegen, womit an die Be-
nutzung und Ausbeutung herangetreten wurde. Der Große
Kurfürst und Friedrich der Große hatten klare Vorstellungen
von der Schädlichkeit halber Maßregeln in Fällen, wo es sich
um Parteinahme oder um ihre Androhung handelte. So lange
Preußen nicht zu einem der deutschen Nationalität annähernd
entsprechenden Staatsgebilde gelangt war, so lange es nicht
nach dem Ausdruck, dessen sich der Fürst Mettermich mir gegen-
über bediente, zu den „saturirten“ Staaten gehörte, mußte es
seine Politik mit dem angeführten Worte Friedrich's des Großen
en vedette einrichten. Nun hat aber eine vedette eine Exi-
r—..
1) Schaustellung von Macht.
2) Auf Posten.